Cover des Buches Jockels Schweigen (ISBN: 9783941787261)
Rezension zu Jockels Schweigen von Adriana Stern

Rezension zu "Jockels Schweigen" von Adriana Stern

von Ein LovelyBooks-Nutzer vor 13 Jahren

Rezension

Ein LovelyBooks-Nutzervor 13 Jahren
Als der 16-jährige David hinter dem Rücken seiner Eltern seinen kleinen Bruder Jockel bei einer Schauspielagentur anmeldet, nimmt eine ungeahnte Katastrophe seinen Lauf. Schon kurze Zeit später bemerken David und seine Eltern schlimme Veränderungen an Jockel. Doch nicht nur sein Bruder gibt David Anlass zur Sorge: Auch sein bester Freund Chip ist zunehmend verschlossen und aggressiv. Gemeinsam mit seiner Freundin Julie kommt David einem schrecklich Geheimnis auf die Spur. Soweit der Klappentext zu diesem Buch und ohne damit zu viel verraten zu wollen, das schreckliche Geheimnis lautet sexuelle Gewalt an kleinen Jungen, denn hinter der Schauspielagentur verbirgt sich ein Pädophilenring, der die Jungen mit perfiden Methoden einfängt, gefügig macht und an sich bindet. Adriana Stern wagt sich damit an ein sehr sensibles Thema heran und ein großes Lob gilt der Art und Weise, wie sie es darstellt: Sehr leise und einfühlsam beschreibt sie wenig und sagt doch genug und so viel mehr. Davor ziehe ich meinen Hut. Allerdings gibt es auch ein paar Kritikpunkte, die mir negativ aufgefallen sind und mich beim Lesen gestört haben. !!!SPOILERWARNUNG!!! Negativ aufgefallen ist mir vor allem die Figur des David. Seine Handlungen und Verhaltensweisen fand ich teilweise etwas unglaubwürdig bzw. nicht ganz nachvollziehbar. Ich habe mit Sicherheit Verständnis dafür, dass ein Sechzehnjähriger bis über beide Ohren in seine erste Freundin verknallt ist und sein Hobby – das Snookerspielen – über alles liebt. Aber als er hinter der verschlossenen Tür in der Agentur einen Jungen wimmern hört, der ganz offensichtlich Angst hat, weil jemand bei ihm ist, der ihn alles andere als korrekt behandelt, und David sich dann entscheidet, dass er sich am nächsten Tag darum kümmern will, weil jetzt erstmal ein Date mit Julie hat und das Snookertraining ansteht, fand ich das doch ziemlich daneben. Gleiches gilt, als er und Julie die DVDs aus der Agentur stehlen. Anstatt sie sich sofort anzusehen und den Machenschaften in dieser Agentur ein möglichst schnelles Ende zu bereiten, gehen die beiden lieber erstmal zur Snookermeisterschaft. Und als David sich den schockierenden Inhalt der DVDs dann endlich angesehen hat, vertraut er sich immer noch nicht den Eltern an, obwohl er im Laufe des Buches mehrmals festgestellt hat, dass diese eigentlich echt in Ordnung sind. Als die Eltern dann endlich eingeweiht sind, erzählt David ihnen zwar von den DVDs, aber weder Vater noch Mutter sehen sie sich an?!? Alle sind zwar wahnsinnig entsetzt, aber anstatt jetzt schnell die Polizei zu informieren, um den Gräueltaten endlich ein Ende zu bereiten, beschließt man, erstmal abzuwarten, weil man Jockel kein Verhör bei der Polizei zumuten will. Dies ist vermutlich eine ehrbare und aus Elternsicht auch nachvollziehbare Absicht, doch ich denke, sie setzt ein falsches Zeichen, denn es besteht schließlich noch immer Gefahr im Verzug, da Jockel ja nicht der einzige Junge ist, der missbraucht wird. Zudem gibt es durchaus fähige Psychologen bei der Polizei, die für entsprechende Befragungen bestens ausgebildet sind. Außerdem fand ich es recht unglaubwürdig, dass David angeblich noch nie davon gehört hat, dass auch Jungen sexuell missbraucht und vergewaltigt werden können, selbst seine Eltern schienen ein wenig „überrascht“, dass es sowas wirklich gibt. Im Hinblick auf die schrecklichen Nachrichten, die man immer wieder über verschwundene, misshandelte, missbrauchte und getötete Kinder im Fernsehen sehen muss, fand ich diese Darstellung im Buch reichlich wirklichkeitsfremd. Zumal es in vielen Schulen Projektage zum Thema Gewalt gibt, an denen das Thema sexuelle Gewalt ebenfalls bearbeitet wird. David müsste also schon mit äußerst fest verschlossenen Augen durch sein sechzehnjähriges Leben gelaufen sein, um nichts davon mitbekommen zu haben... Fazit: Insgesamt ein gutes Buch, das einfühlsam ein heikles Thema anfasst, hoffentlich bei den Lesern ein offeneres Auge für Kinder in ihrem Umfeld hinterlässt und Betroffenen Mut machen kann, sich jemandem zu öffnen. Besonders, da im Anhang gleich eine ganze Reihe von Beratungsstellen aufgelistet sind, die sich über das gesamte Bundesgebiet verteilen.
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