In den fortgeschrittenen Kriegstagen bringt eine Mutter ihre beiden noch sehr jungen Zwillingssöhne in eine Grenzstadt zu ihrer eigenen Mutter, weil es in der Großstadt, in der die Familie lebt (der Vater ist schon lange an der Front, seit über sechs Monaten ohne Lebenszeichen) nichts Essbares mehr gibt. Das Alter der Zwillinge weiß man nicht, doch sie haben teilweise noch Milchzähne und die Großmutter hatte von ihrer Tochter schon seit zehn Jahren kein Lebenszeichen mehr gehört und wusste nichts von Heirat und Kindern. Ich habe die Jungen auf acht Jahre geschätzt.
Die Großmutter ist wenig angetan. Sie will weder von der Tochter noch ihrer "Brut" etwas wissen. Doch am Ende behält sie widerstrebend die Buben, für die fortan eine neue Zeitrechnung und ein neues Leben beginnt. Vorbei ist die Zeit der liebevollen Umarmungen, des behüteten Leben, der Reinlichkeit, des täglichen Zähneputzens. Sie müssen auf einer harten Eckbank in der Küche schlafen, ohne die Decken, Laken und Handtücher, die ihnen ihre Mutter mitgegeben hatte. Denn die Großmutter - als Hexe im Ort verschrien, weil sie angeblich ihren Mann vergiftet hat - verscherbelt alles zusammen mit ihrem Gemüse und ihren Hühnern auf dem Markt und behält den Erlös für sich. Sie wäscht sich nie, schläft in ihren Kleidern, schlägt die Jungen ohne Grund, lässt sie schuften und frieren.
Das Geld und die Kleidung, die die Mutter schickt, verschwinden, ohne dass die Jungs etwas davon sehen. Im Winter müssen sie barfuß laufen. Doch die beiden geben nicht auf. Sie kämpfen sich durch die Zeit und härten sich zusätzlich mit Schlägen und Hungern ab. Huhn und Pfannkuchen gibt es nur an den Tagen, an denen die Buben Hungertage haben und sich quälen, wenn sie der Großmutter beim Schlemmen zusehen. An den anderen gibt es nur Kartoffeln und Bohnen. Sie peitschen sich, bis sie keinen Schmerz mehr fühlen und brennen alle liebevollen Erinnerungen aus ihrem Gedächtnis um zu überleben. Denn das Überleben ist verdammt schwierig in diesen Kriegszeiten, wo man stehlen und kämpfen muss um nicht selbst bestohlen zu werden. Auch das Töten muss gelernt werden. Dabei wird schon mal die Hauskatze aufgehängt. Dabei sind sie wissbegierig, intelligent und bauernschlau. Unterrichten sich gegenseitig, lesen in der Bibel und in einem Wörterbuch - dem einzigen, was ihnen von ihrem gefühllosen Vater blieb. Schreiben Aufsätze in ein Heft, die die einzelnen Kapitel dieses Buches ausmachen (sollen). Lernen in Windeseile durch Zuhören die Sprache der Kriegsparteien allein durch Zuhören. Verdienen sich nebenbei Geld. Sie verziehen sich auf den Dachboden, zu dem die Grußmutter, die ihre Enkel nur "Hundesöhne" oder "Hurensöhne" nennt, keinen Zugang mehr hat, seitdem sie die Leiter angesägt haben und die Großmutter damit stürzte. Sie klettern an einem Seil in ihr Reich und durch Löcher im Boden können sie des Nachts die betrunkene Großmutter und auch den Untermieter, einen Offizier in allen ihren Abgründen beobachten. Es gibt auch sexuelle Perversionen in ihrem Umfeld mitzuerleben.
Auch wenn ihre Abgestumpftheit und die damit einhergehende Verrohung immer weiter voranschreitet, haben sie trotzdem ein Gefühl für Gerechtigkeit und helfen oder bestrafen, wo es ihrer Meinung nach angebracht ist.
In den letzten Kriegstagen kommt es zu schrecklichen Szenen und die Sieger nehmen sich nach der Kapitulation unbarmherzig was sie wollen, aber die beiden Buben sind inzwischen so schlau, dass sie sich gut durchlavieren können. Trotzdem gibt es am Ende noch einmal einige Knaller, mit denen ich nicht gerechnet hatte, und noch die halbe Nacht grübelte, bis ich verstand.
Ich musste mich ein wenig mit der ungarischstämmigen Autorin und der Geschichte Ungarns im zweiten Weltkrieg beschäftigen, um zu realisieren, dass die Großstadt Budapest ist, der Ort der Handlungen an der rumänischen Grenze, der Offizier zu der deutschen Armee, mit der sich der ungarische Ministerpräsident verbündete (obwohl die Bevölkerung unglaublich litt und massenhaft an der Front verheizt wurde), die Deportierten ungarische Kriegsgefangene, die verkohlten Menschenpyramiden Juden im Konzentrationslager, die grausamen Sieger die Russen sind. Im Prinzip war alles zu Kriegszeiten und Kriegsende, vor allem die letzten Tage, so ähnlich, wie es mir meine Mutter und mein Vater - die es selbst erlebten - mir immer erzählt haben.
Obwohl das Buch eine Faszination ausübt, die es zu einem Pageturner macht, ist es nicht leicht zu lesen. Es ist fast ein Glück, dass man als Leser mit den Zwillingen auch ein wenig abstumpft, sonst wäre es kaum zu ertragen.
Nach einem Tag Bedenkzeit habe ich mir heute die Nachfolgebände zu der Geschichte "Der Beweis" und "Die dritte Lüge" (die einstige Trilogie ist nicht mehr erhältlich) sowie ihre autobiographische Erzählung "Die Analphabetin" über ihre Flucht 1956 aus Ungarn und die erste schwere Zeit in der französischsprachigen Schweiz bestellt. Einen besseren Beweis für meine Empfehlung gibt es nicht.