Cover des Buches Der Beweis (ISBN: 9783492214971)
The iron butterflys avatar
Rezension zu Der Beweis von Agota Kristof

Ein Herz brennt...

von The iron butterfly vor 9 Jahren

Rezension

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The iron butterflyvor 9 Jahren

Wir erinnern uns: Die bisher namenlosen Zwillingsbrüder nutzten den Fluchtversuch des Vaters über die verminte Grenze, um ihre Einheit zu trennen. Der Vater wurde durch eine Mine bis zur Unkenntlichkeit entstellt, der Zwilling Claus konnte nun über den entstandenen minenfreien Korridor entkommen. Lucas kehrt ins Haus der Großmutter zurück und lebt dort recht isoliert. Sein einziger Kontakt zur Umwelt besteht lange Zeit nur darin, Joseph Obst und Gemüse aus dem Garten für den Markt mitzugeben. Aber die Einsamkeit macht Lucas zu schaffen, er vernachlässigt den Garten und würden die Tiere sich nicht lautstark bemerkbar machen, wären sie Lucas auch „abhanden“ gekommen. Er selbst ernährt sich spartanisch und selbst die wenige Nahrung, die er zu sich nimmt, erbricht er kurz nach den Mahlzeiten in den Garten. Joseph beginnt sich um Lucas zu sorgen.

Eines Tages entdeckt Lucas das Mädchen Yasmine mit ihrem Neugeborenen am Fluß und nimmt die beiden bei sich auf. Yasmine wurde von ihrer Tante verstoßen, da das Kind aus der einvernehmlichen Beziehung von Yasmine zu ihrem Vater entstammt. Der Vater selbst landete im Gefängnis. Yasmine ist nicht nur aufgrund der Trennung von ihrem Vater/Geliebten unglücklich, denn das Kind ist „verwachsen“, da Yasmine mit einem Korsett die Schwangerschaft so lange wie möglich kaschieren wollte. Lucas fokussiert sich und seine Zuneigung fortan auf das Kind, fertigt eine Wiege, besorgt ein Katzenbaby und einen kleinen Hund. Der kleine Mathias entwickelt sich dankt seiner Förderung zu einem gewieften Jungen, der an die jungen Zwillinge und ihre Cleverness erinnert. Doch eine glückliche kleine Familie entwächst dieser Notlösung nicht, denn Lucas ist unstet. Er geht Yasmine gegenüber keine emotionale Verpflichtung ein und wandert stattdessen wieder öfter durch die Stadt. Bei seinen Streifzügen lernt er die Bibliothekarin Clara kennen, die jedoch mit seiner erdrückenden Gegenwart anfangs nur wenig anfangen kann und sich bedroht fühlt. Yasmine verschwindet eines Tages und Lucas übernimmt die alleinige Fürsorge für den kleinen Mathias.

Agota Kristof setzt mit „Der Beweis“ die Geschichte der Zwillinge aus „Das große Heft“ fort. Die Erzählweise bleibt unverändert distanziert und auf das Wesentliche beschränkt und transportiert damit unendlich mehr der kargen Atmosphäre, als sie es mit ausschweifenden Beschreibungen und aufwendigen Satzgewächsen könnte. Die von Krieg und Entbehrung gezeichneten Protagonisten sind so greifbar nah und ihre Geschichten erneut schmerzhaft präzise skizziert. Ihre Verfehlungen von einer tiefen Verzweiflung geprägt, die den schleichenden Tod von Sehnsucht und die völlige Erblindung aller Träume und Hoffnungen symbolisiert. Lucas wandelt regelrecht betäubt durch seine Existenz und ist verwandelt, er ist eine stetig eiternde Wunde, die nicht heilen will. Seine tiefverwurzelte Hoffnung Claus würde zu ihm zurückkehren und ihn wieder komplettieren, lässt ihn verzweifelte Sehnsüchte entwickeln, die er auf Mathias und Clara ausrichtet.

Das Anagramm der Namen Lucas/Claus ist nur ein Hinweis auf die Verschmelzung der Brüder, die durch die Trennung einer Selbstzerstörung gleicht.

Fortsetzung folgt…“Die dritte Lüge“ liegt bereits griff- und lesebereit parat.

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