Frankenstein in Bagdad ist eine Neuinterpretation des Frankensteins von Mary Shelley. Das Buch spielt im Irak, kurz nach dem Krieg, dem Sturz von Saddam Hussein, das Land ist unter anderem von den USA besetzt. In dieser Zeit kam es zu unzähligen Terroranschlägen, Gefechten zwischen verschiedenen Lagern, die das Machtvakuum füllen wollten und einer hohen Zahl ziviler Opfer. Hadi, ein Trödler aus Bagdad, beginnt deren Leichenteile auf den Straßen einzusammeln und zu einem Körper zusammenzunähen. Er wolle damit die Regierung dazu bringen, die Körper als echte Menschen anzuerkennen und ihnen ein ordentliches Begräbnis ermöglichen. Doch der zusammengeflickte Leichnam erhält plötzlich eine Seele - die eines in der Nachbarschaft bei einem Anschlag gestorbenen Hotel-Wachmanns -, erwacht zum Leben und verschwindet. Kurz darauf kommt es zu einer Serie von Morden in der Stadt. Doch das Element des Horror, des gothic schwingt nur am Rande mit, der Roman beinhaltet noch viel mehr.
Man lernt die Nachbarschaft von Hadi in seinem Stadtviertel kennen. Elishva, eine alte christliche Frau, die sich weigert ihr Haus zu verkaufen, ihren Töchtern ins Ausland zu folgen. Denn ihr Sohn Daniel, verschollen seit dem Iran-Irak-Krieg, könnte ja vielleicht doch noch eines Tages wieder auftauchen. Und für sie tut er das auch, in Gestalt des Whatsitsname, wie Hadi sein Monster getauft hat. Außerdem wären da Abu Anmar, der Besitzer eines im Verfall befindlichen Hotels mit immer weniger Gästen, al-Saidi der Besitzer eines Magazins, indem der Journalist Mahmoud arbeitet, Aziz der Ägypter, in dessen Café Hadi seine wilden Geschichten erzählt und Faraj, der versucht als Immobilienmakler die Gunst der Stunde zu nutzen und Gebäude billig zu erwerben. Ihr Alltag macht die Realität der Gewalt, der Kriegsfolgen greifbar. Und so bunt zusammengewürfelt wie das Viertel ist auch der Whatsitsname. Das Monster macht sich daran all die Opfer, aus denen es zusammengesetzt wurde, zu rächen. Doch schnell stößt es auf das Dilemma, das niemand nur kriminell oder unschuldig ist. Und Gewalt zieht neue Gewalt nach sich. Derweil versucht Hadi alles, um sich von seiner Schöpfung loszusagen, während Mahmoud unbedingt ein Interview mit dem Whatsitsname bekommen möchte. Verschiedenste Gruppen versuchen das Monster für ihre Sache einzuspannen und eine obskure Regierungsbehörde will es mit Hilfe von Astrologen und Wahrsagern aufspüren.
Der Roman ist ein Schmelztiegel aus dem ursprünglichen Frankenstein-Mythos mit gotischen Elementen, aber auch mit Elementen arabischer Mythen und einer Vielzahl von Perspektiven. Dabei werden Fragen wie Schuld und Gerechtigkeit und die Nachwirkungen des völkerrechtswidrigen Irak-Krieges behandelt. Bei aller thematischen Schwere ist die Sprache aber locker und von satirischem Humor durchdrungen. Dadurch lässt sich das unterhaltsame und relevante Buch sehr gut lesen.