Rezension zu "Die Entpuppung" von Aicha Lemsine
Das Buch beginnt damit, dass die Protagonistin einen Anfall hat, verzweifelt ihr Gesicht zerkratzt, wie wahnsinnig schreit, weint, explodieren möchte. Sie beruhigt sich erst, als sie ihr Kind in die Arme nimmt. Eine gewaltige Szene, die die Autorin so nüchtern wie nur möglich erzählt, als könne sie sich diesen Moment nicht vorstellen.
Es fehlt ihr eindeutig die Leidenschaft, die man von einem Autor erwartet, mit der er seine ganze Seele in winzige Sätze presst. Sie schreibt eiskalt, distanziert, manchmal sogar kurzgehackt, als würde sie nicht erzählen, sondern ein anderes Buch zusammenfassen.
Die Protagonistin pflegt eine innige Freundschaft zu der europäischen Frau eines Arztes, mit der sie sich nur mit einem Dolmetscher verständigen kann. Ich hätte gerne gewusst, wie so eine innige Freundschaft funktioniert, wenn eine dritte Person bloß zum Übersetzen da ist, an der Freundschaft nicht teilnehmen darf und zu einer Randfigur zwischen den beiden Frauen wird. Das wäre interessant gewesen, stattdessen fasst die Autorin das in wenigen Absätzen wie eine nervige Vorgeschichte, die sie unbedingt loswerden möchte.
Als die Frau das Land verlässt und die Protagonistin ihr ein Schmuckstück schenkt, dass ihr viel bedeutet, kriegt man als Leser nicht mit, ob das Schmuckstück wirklich so einen Wert hat und ob da wirklich eine Freundschaft ein Ende findet. Die Autorin versagt hier erneut.
Die Autorin ist nicht in der Lage, das einfachste Gefühl zu beschreiben. Sie schafft es auch nicht, irgendwie eine Szene aufzubauen, sondern will nur schockieren, schockieren und schockieren und das mit so wenig Vorarbeit wie nur möglich. Dadurch können die Figuren sich nicht entfalten und rutschen so weit in den Bereich eines Berichtes, dass das Buch nicht funktioniert. Ohne die Gefühle, ohne Leidenschaft und ohne Seele wird das Buch schnell langweilig und die Figuren uninteressant.