Ein schönes Zusammenspiel von Figuren, Konflikten, Wahrnehmungen und Mut
Klappentext des Verlages:
Victor, der einsame Trainer einer Fußballmannschaft, freut sich nicht, als seine Schwester ihren Sohn Leonard bei ihm zurücklässt. Jedes Wiedersehen mit ihr weckt schmerzhafte Erinnerungen, und sein Neffe ist einfach seltsam. Er spricht kaum und spielt gegen sich selbst Schach. Als Leonard ihm auch noch altklug sagt, Fußball sei simpel, platzt Victor der Kragen. Fußball ist mehr als ein Ball und elf Männer, es ist eine Kunst! Und während Onkel und Neffe sich gegenseitig die Welt erklären, werden aus Fremden Freunde, aus Einzelgängern eine eingeschworene Gemeinschaft – und aus zwei Einzelleben wird eine gemeinsame Geschichte …
Anders als auf dem Klappentext angegeben, heißt der einsame Trainer Vincent und nicht Victor.
Vincent Barteau ist nicht einsam, sondern lässt sich viel eher als Einsiedler beschreiben, der sich bewusst dafür entschieden hat, unabhängig von Dingen und vor allem Menschen zu sein. Damit hat er sich seine eigene kleine Welt geschaffen, die er zum einen ungern verlässt und in die er zum anderen nur widerwillig Zutritt gewährt.
So mag es nicht verwundern, dass der spontane Besuch seiner Schwester Madeleine ihn nicht nur überrumpelt, sondern zugleich auch herausfordert, als sie Vincent bittet, für ein paar Tage ihren Sohn Léonard bei sich aufzunehmen.
Obwohl Vincent als Trainer einer Jugendfußballmannschaft tagtäglich mit Kindern arbeitet, ist ihm noch keines wie sein Neffe untergekommen. Léonard scheint in seiner eigenen Welt zu leben, in der Schach eine größere Rolle als die Sprache und alterstypische Unternehmungen spielt.
Erst die durch Zufall gestellte Diagnose Asperger-Syndrom (eine leichte Form von Autismus) lässt Vincent erkennen, dass sein Neffe die Dinge anders wahrnimmt. Dabei ist ihm Léonard schon voraus und hat durch den Fußball eine Verbindung zu ihm hergestellt.
Nach und nach betreten die beiden die Welt des anderen und mit dem Verstehen entwickelt sich nicht nur eine Bindung, sondern auch eine Zuneigung, die für beide Neuland ist.
"La surface de réparation" (Der Titel im Französischen, der "Der Strafraum" bedeutet) zeigt die Linien des Spielfeldes, in dem sich die beiden Protagonisten samt ihrer aufgesetzten bzw. durch die Andersartigkeit vorhandenen Regeln bewegen, auf. Doch anders als beim Fußball geht es hier statt um Verstoße um die Konfrontationen im Leben und statt Strafpunkte um das Dazulernen/Verändern; bei denen sich unterschiedliche Welten annähern und dies mit Entwicklung, Kennenlernen, Verstehen und ja auch Sicherheit einhergeht, bei denen Gefühle und Auseinandersetzung mit dem Leben gefragt sind.
Auf einfühlsame Weise erzählt der Autor von zwischenmenschlichen Konflikten sowie von einer familiären Abgeschiedenheit, die die Vergangenheit zur Qual und die Gegenwart einsam gemacht hat.
"Man kann sich nicht selbst auf dem Weg gehen." (S. 51)
Dieser Tatsache hat sich gerade Vincent angenommen und er stellt sich auf ruhige, fast schon gelassene Art, den unerwarteten Situationen, selbst dann, wenn er dazu seine "Linien" überschreiten muss.
Dass Fußball mein Element ist, kann ich nicht behaupten und dennoch hat mir das Zusammenspiel von Figuren, Probleme und Lösungen, Hilflosigkeit und Mut, Wahrnehmungen und Sein, Familie und Freundschaft gut gefallen.
Einzig das Ende ging mir etwas zu glatt auf, auch wenn dieses die schlichte Möglichkeit auf Glück unterstreicht.