Albert M. Debrunner

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Lebenslauf

Albert M. Debrunner, geboren 1964, hat Englisch, Deutsch und Philosophie studiert; er promovierte mit einer Arbeit über den Schweizer Aufklärer Johann Jakob Bodmer und ist Gymnasiallehrer. Von 2006 bis 2014 war er Präsident der Allgemeinen Lesegesellschaft Basel. Außerdem ist er Stiftungsrat der dortigen Hebel-Stiftung. Er publizierte verschiedene Bücher, u.a. «Freunde, es war eine elende Zeit! René Schickele in der Schweiz 1915–1919» (2004), den «Literaturführer Thurgau» (2008), die «Literarischen Spaziergänge durch Basel» (2011) sowie zahlreiche Artikel zu literaturhistorischen Themen. 2017 erschien bei NIMBUS seine Biographie über Hermann Kesten («Zu Hause im 20. Jahrhundert»). Albert M. Debrunner lebt in Basel.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Albert M. Debrunner

Cover des Buches Ernst Stadler (ISBN: 9783038500865)

Ernst Stadler

(0)
Erschienen am 21.11.2022

Neue Rezensionen zu Albert M. Debrunner

Cover des Buches Meine Freundin Lo (ISBN: 9783038500964)
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Rezension zu "Meine Freundin Lo" von René Schickele

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Endlich komplett

Paris zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts – Belle Époque. Es herrscht Frieden. Die, die sich regelmäßig treffen, kennen den Krieg nur aus Erzählungen. Eine Schauspielerin, besagte Lo, ein Journalist, eine Theaterdirektor, ein Dichter und ein Politiker. Sie frotzeln, sie diskutieren, reden ohne Unterlass und genießen das Leben. Zwei von ihnen werden ein Paar, genießen den Sommer. Am Ende verlässt sie ihn, um mit einem der Anderen davonzugehen. Kurz und knapp ist diese Geschichte zusammengefasst. Nicht weniger, aber viel mehr!  René Schickele, der Autor dieses kleinen, faszinierenden Büchleins schreibt – ob bewusst oder unbewusst – eine Gesellschaft, die sich seit einiger Zeit wiederholt. Heute nennt man sie die Generation Y. Zur damaligen Zeit – der Roman erschien 1910 – steckten sie allerdings schon in der Diskussion mit Themen, die heute die Generation Z bewegt: Freiheit, Zwanglosigkeit, Regellosigkeit. War man vor reichlich elf Jahrzehnten reifer als heutzutage?

Die Parallelen zur Gegenwart – denkt man sich den ganzen technischen Schnickschnack weg, den man heutzutage unbedingt braucht - sind unübersehbar. Lo, die Schauspielerin, ist ein Star. Wie viele Follower sie wohl heute hätte? Wie oft sie wohl in Boulevard-Magazinen auftreten würde? Ihr liegen die Männer zu Füßen. Sie genießt das. Es ist aber nicht ihr Lebenselixier ihre Verehrer mit falsch verstandener Emanzipation vor den Kopf zu stoßen. Sie hat ihren eigenen Kopf, und mit dem will sie durch die Wand. Kopfschmerzen bei sich selbst nimmt sie gern in Kauf.

Erst im Nachwort treten die Hintergründe der Geschichte klar zu Tage. Der Dichter ist einfach in mehr las nur groben Zügen als der Autor des Buches selbst zu erkennen. Die Schauspielerin ebenso. „Meine Freundin Lo“ als rein autobiographischen Roman zu sehen, wäre dann aber doch überzogen. Schickele gibt sich selbst mehr Raum, um der Schmach der Abfuhr zu entgehen. Dennoch liest sich das Nachwort wie eine Bestätigung dessen, was man da eben auf mehr als hundert Seiten gelesen hat. Nur wer es selbst erlebt, kann so schreiben. Und doch eine Erkenntnis zeigt sich erst ganz am Ende. Das erste Kapitel steht hier nicht am Beginn des Buches, sondern als süßer Abschluss. René Schickele fand es nicht als passend. Also ließ er es einfach weg. Nun sind beide wiedervereint. Zwar nicht in der eigentlichen Reihenfolge, dennoch untrennbar miteinander verknüpft.

Wenn ein Buch das Prädikat „unbegrenzt haltbar“ verdient – so der Name der Bücherreihe, zu der dieses Buch wie die Faust aufs Auge passt – dann dieses!

Großartige Biographie eines fast Vergessenen

Dieses Leben wartete nur darauf endlich komplett niedergeschrieben zu werden. Er war der niemals stille Beobachter des 20. Jahrhunderts. Geboren 1900, war seine Berufswahl von Anfang an klar: Schriftsteller. Worte formen und zusammenstellen, um zu berichten. 
Im Alter von vier Jahren übersiedelte er mit seinen Eltern aus dem heute ukrainischen Galizien nach Nürnberg. Hier ging er zur Schule, besuchte Kaffeehäuser, stürzte sich in die Bibliothek seines Vaters. Bis der Krieg seinem bis dahin sorglosem Leben die erste Schramme versetze. Sein über alles geliebter Vater fiel im Krieg. In der Stadt, in der seine Mutter geboren wurde. An dem Tag als seine jüngere Schwester ihren 14. Geburtstag feierte. 
Schon früh war sich Kesten der Wirkung seiner Texte bewusst. Wenn er veröffentlichte, dann nur bei renommierten Zeitungen oder Verlagen. Ein Studienfreund lotste ihn schließlich zum Verlag von Gustav Kiepenheuer. Es ist die herrlichste Zeit in seinem Leben. Er kann selbst schreiben und wird veröffentlicht. Er holt Dichter in den Verlag, die veröffentlicht werden. Er heiratet. Doch Berlin ist seiner nicht gewachsen. Die ewigen Literatenzirkel engen ihn ein. Er kennt jeden, der schreibt. Alle, die schreiben, kennen ihn. Doch so recht dazuzugehören, scheint Hermann Kesten nicht. Die ungewöhnliche Arbeitssituation geht auch im Privaten vollkommen auf. Neben Toni, seiner Frau, die aus Nürnberg zu ihm kam, wohnt auch noch seine Mutter bei dem jungen Paar in Charlottenburg. 
Und wieder ist es ein gewaltiges Erlebnis – nach dem kriegsbedingten Tod des Vaters – dass ihn zwingt die nicht unbedingt geliebte Heimat, Berlin, Deutschland zu verlassen. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten ist es für ihn, jüdischen Glaubens, unmöglich weiterhin in Deutschland zu arbeiten und zu leben. Dass er unbewusst die braune Brut im Verlag untergebracht hat, befeuert seine „Reisepläne“ immens und bestärkt ihn in seinem Beschluss. Keine schlechte Wahl. Als einer der ersten begibt er sich ins Exil nach Frankreich, wird später so was wie der Herbergsvater einer ganzen Schriftstellergeneration, als Dichter wie Mann, Feuchtwanger oder Roth im südfranzösischen Sanary sur mer einen zeitlich begrenzten Hort der Ruhe fanden. 
1940 kehrt Kesten Europa endgültig den Rücken. New York wird seine neues zuhause, ein Jahrzehnt findet er dies in Rom und 1977, dem Jahr als seine Frau starb, lässt er sich in der Schweiz nieder, wo er 1996 starb.
Albert M. Debrunner hat sich jahrzehntelang mit Hermann Kesten beschäftigt. Seine Biografie eines unermüdlichen Schreibers, eines Verfechters der deutschen Sprache ist nicht einfach nur eine Aneinanderreihung von Daten und Fakten, es ist ein spannungsgeladener Krimi eines Mannes, der sich seine Umgebung nicht immer zurechtbiegen konnte. Mit Liebe und Hingabe – so wie Kesten sich selbst auch verstand – gelingt ihm das Kunststück einen teils vergessenen Literaten die wohlverdiente Ehrung zukommen zu lassen. Kestens Weg und Kestens Werk sind aus den Bestsellerlisten längst verschwunden. Wer jedoch die Poesie in der deutschen Sprache sucht, findet sie bei Kesten in jeder Silbe. Debrunners Biographie ist das Silbertablett, auf dem Kestens Leben ein sanftes Ruhekissen findet.

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