Rezension zu Im Rausch der Stille von Albert Sánchez Piñol
Rezension zu "Im Rausch der Stille" von Albert Sánchez Piñol
von muprl
Rezension
muprlvor 15 Jahren
Um das Pferdchen mal von einer anderen Seite aufzuzäumen: Die Monstergeschichte in "Im Rausch der Stille" ist eine gelungene Allegorie auf den Menschen und seine Neigung zu Krieg und Gewalt gegen alles fremde, was er antrifft. Fremdheit löst Angst aus. Angst löst Gewalt aus. Die beiden Männer auf der Insel unterliegen diesem Mechanismus und finden keine Zeit, darüber zu reflektieren. Anfangs nicht. Der Ich-Erzähler schafft es aber irgendwann durch eine ziemlich abstruse Liebesgeschichte (ziemlich verstörend), die Augen zu öffnen und genau hinzusehen. Das Buch verurteilt die Blindheit der Gewalt - tut das allerdings auf eine eher subtile Art. Der deutlichste Hinweis ist vielleicht die Vergangenheit des Ich-Erzählers als enttäuschter Freiheitskämpfer. Wenn man diese Erfahrung als Hinweis zur Deutung der "Monstergeschichte" ernst nimmt, sind diese Monsterangriffe nicht mehr abstrus oder einfach nur ekelig oder spannend, sondern sind ein Bild für die Fehler der Menschen, die sie immer und immer wieder begehen. Und wahrscheinlich auch immer wieder begehen werden. Ob nun Afrikaforscher vor Jahrhunderten fest davon überzeugt sind, dass die "Eingeborenen" Afrikaner Tiere ohne Seele und Gefühle sind, ob vermeintliche Hexen verbrannt werden oder aber glitschige Meerwesen abgeknallt werden. Es ist immer dasselbe Prinzip. Sanchez Pinol lässt den Leser allerdings auf die meisten dieser Überlegungen selbst kommen. Er erklärt uns nicht die Welt, er stellt uns ein Bild, ein Beispiel vor ugen, das alles enthält, was er zu diesem Thema zu sagen hat. Es ist einerseits ein kleines Meisterstück. Andererseits kann ich mir nicht helfen - diese komischen Monster kommen mir doch ein bisschen zu albern vor, um ein so ernstes Thema voranzubringen - aber bin da nicht vielleicht genau in Pinols Falle getappt? Trotzdem ein Sternchen Abzug für eine gewisse Plumpheit Monster betreffend und dafür, das mir im Endeffekt aus dem Buch keine neuen Erkenntnisse entwachsen sind. Die zeichnung der Charaktere ist übrigens ganz großartig. Allein aufgrund dessen lohnt es sich schon, das Buch zu lesen.