STORY
In einer unbestimmten Zukunft hat die Menschheit nach einem verheerenden Krieg größtenteils den Mars besiedelt; nur wenige Menschen, vorwiegend Vergangenheitsforscher und Schmuggler, leben noch auf der unwirtlichen Erde. Eine von ihnen ist Martha, die ihre beträchtlichen Mittel investiert, um die längst als veraltet geltenden Wissens- und Kunstschätze der Menschheit zu bergen und illegalen Handel mit ihnen zu treiben.
Bei einer Bergungsaktion stürzt Marthas kleine Tochter Lise tragischerweise von einem baufälligen Hochhaudach in den Tod. Mutierte, intelligente Kraken, die am Grund des Gebäudes leben, versuchen vergeblich, das Mädchen mit ihren besonderen Fähigkeiten wiederzubeleben, bevor sie den Leichnam an ihre Mutter zurückgeben.
Besessen von dem Gedanken, einen Klon von Lise zu erschaffen, lässt Martha Joachim zur Erde bringen – einen idealistischen Nanobiologen, der auf dem Mars wegen seiner vermeintlich rückwärtsgewandten Ansichten von seinem wissenschaftlichen Institut suspendiert wurde.
Wider Erwarten gelingen alle medizinischen Vorbereitungen, und in Martha entwickelt sich tatsächlich ein Embryo von Lise. Zwischen engen Kontrolluntersuchungen und weiteren allgemeinen Forschungen entwickelt sich in der Abgeschiedenheit von Marthas Behausung – ein Nachbau von Schloss Neuschwanstein in den Pyrenäen – leben Martha und Joachim in den folgenden Monaten einen beinahe unbeschwerten Alltag. In dieser Zeit entwickelt sich sogar eine körperliche Beziehung zwischen ihnen. Doch nach der Entbindung durchläuft die neugeborene Lise eine unvorhergesehene und rasante Veränderung.
MEINUNG
Autor Olivier Vatine kreiert in „Die lebende Tote“ eine unfassbar bizarr anmutende Welt, die dem Leser als völlig selbstverständlich präsentiert wird. In verstreuten Informationshäppchen erhält man gerade genug Hintergrundwissen, um sich ein Bild davon zu machen, wie die Menschheit an den Punkt gelangt ist, an dem die Geschichte einsetzt. Doch Vatine zeigt wenig Interesse an den allgemeinen Lebensverhältnissen der Gesellschaft; stattdessen begleiten wir Joachim in eine abgeschottetes, utopisches „Frankenstein“-Setting. Die Inspiration ist zwar erkennbar, doch die einzelnen Elemente sind derart wild neu arrangiert und mit zusätzlichen Themen angereichert, dass etwas völlig Eigenständiges entsteht.
Hier vereinen sich viktorianisches Design und Science-Fiction, deutsche Romantik und Tentakel-Monster, während auch Anklänge an Werke wie „Die Fliege“ und „Terminator“ eingearbeitet werden. Auf jeder Seite erwartet den Leser eine neue Überraschung.
Die Illustrationen von Alberto Varanda sind ein atmosphärisches Amalgam aus den Arbeiten von Kelley Jones („Batman/Dracula“) und Joe Benitez‘ Steampunk-Serie „Lady Mechanika“. Die wilden Schraffuren, mit denen der Künstler die Tiefe und Lebendigkeit seiner Bilder meisterhaft steuert, verleihen dem Werk eine starke, eigenständige Note.
Lediglich im Impressum erfährt man, dass es sich um eine Adaption einer Geschichte von Stefan Wul (Pierre Pairault) handelt, einem renommierten französischen Science-Fiction-Autor, der auch die Vorlagen für die Kult-Zeichentrickfilme „Der phantastische Planet“ und „Herrscher der Zeit“ geliefert hat.
Neben der Standardversion ist auch eine limitierte großformatige Vorzugsausgabe erhältlich, die das Album in schwarz-weißen Tuschezeichnungen inkl. 24 Bonusseiten enthält.
FAZIT
SF-Gothic und ein wilder Genre-Ritt durch die phantastische Buch- und Filmlandschaft.