*Das Buch möchte zum Flanieren durch einen europäischen Bilderkosmos einladen.*
Anlässlich der deutschen EU Ratspräsidentschaft wurden 183 Werke aus der Deutschen Nationalbibliothek in dieser Publikation vereint um eine Komposition zum Thema Europa zu zeigen. Dabei steht Europa nicht für einen geografischen Raum, sondern für eine Wertegemeinschaft, die sich hier in den Themen Reisen und Grenzen, Nachbarschaft, Mythos und Macht aber auch Krieg und Frieden wiederfindet.
Die Deutsche Nationalbibliothek verfügt über einen Gesamtbestand von über 40 Millionen Medienwerken, sodass die hier gezeigte Auswahl von 183 Werken sehr klein scheint. Neben vielen Bildern finden sich auch Gedanken zu Europa (in deutscher und englischer Sprache). Der Bildband zeigt eine Mischung aus Fotografien, Zeichnungen und Kartenmaterial. Diese reichen von historisch bis zeitgenössisch. Manchmal sind es kleine Details, die darauf hinweisen, wo in Europa wir uns gerade befinden, ein anderes Mal fällt die geografische aber auch die zeitliche Einordnung leichter.
Nicht nur das historische Bildmaterial bedient sich einiger Klischees. Da musste ich mich fragen, ob wir so Europa und seine Einwohner sehen. Habe ich beim eindeutig historischem Titelbild der „Vollständigen Völkergalerie, Band III Europa“ noch schmunzeln müssen, finden sich bildnerische Typisierungen von Völkergruppen besonders in den bebilderten Karten wieder.
Besonders interessant fand ich neben dem Kartenmaterial - das von detailreich beschriftetem über bebilderte Europakarten reicht – die Fotografien, die sich mit dem Thema Grenzen und Migration auseinandersetzen. Allerdings sind dies nicht die einzigen Themen, die aus der Zusammenstellung herausgelesen werden können. Ohne viele Worte folgen die Bilder aufeinander und rufen bestimmte Assoziationen hervor. Vom Buchdruck über die Post und Telegrafie zeigt sich auch ein Wandel in der Welt der Kommunikation. Ausgeschlossen wird auch der Krieg nicht, der in einigen historischen Bildern auftritt.
Bei einigen der Bilder – besonders denen, die Porträts zeigten – habe ich mich mit dem Zusammenhang etwas schwer getan. Gerade hier – aber auch bei einer Vielzahl an anderen Werken – hätte ich mir einen kurzen Text zur Erläuterung gewünscht. So blieb das Herstellen von Zusammenhängen und die Einordnung der Bilder ganz in der Hand des Betrachters. Dadurch kam ich zu der Einschätzung, dass das Buch mit seinen Werken wohl auf jeden unterschiedlich wirkt.
Den Abschluss bilden „Stimmen zu Europa“ - eine Auswahl an Essays (immer in deutscher und englischer Sprache) die sich dem Thema widmen. Alberto Manguel zieht einen Bogen von der mythologischen Europa bis heute. Aleida Assmann führt durch ihre drei Europas führt und wirft damit einen Blick auf die letzten Jahrzehnte wirft. Der Kinderbuchillustrator Axel Scheffler macht sich Gedanken zum Brexit macht. Die ehemalige Generaldirektortin der deutschen Nationalbibliothek Elisabeth Niggemann spricht über die Digitalisierung der Bestände. Grant G. Harris wirft einen Blick von außen auf das europäische kulturelle und intellektuelle Schaffen. Gunther Hirschfelder macht sich hingegen Gedanken über die kulinarische Vielfalt Europas. Karin Bojs sucht das Verbindende in der Musik. Madeleina Key sucht das Flickwerk, das Europa zusammenhält und Simon Strauß findet es in der Kultur. Yasmin Ouirhane setzt sich für die „vergessenen Europäer“ (die Söhne und Töchter eingewanderter EuropäerInnen) ein.
Sehr gut gestaltet empfand ich die Bild- und Quellenangabe, die hier mit den Bildern der Publikationen versehen ist.
Fazit: Ein spezieller Blick auf Europa, der sich nicht der Geografie sondern vielmehr den gemeinsamen Werten und der gemeinsamen Geschichte widmet. Da Vielfalt groß geschrieben wird, fand ich es auch passend, dass jeder die Bilderkomposition selbst interpretieren muss – wobei für mich die Frage im Raum steht, ob jeder darin Europa wiederfinden wird.