Hier bleibt es nicht bei einem Toten...
von parden
Kurzmeinung: Brisantes Thema, unbequeme Charaktere, Spannung, Gänsehaut, Adrenalin, Betroffenheit - was will man mehr?
Rezension
HIER BLEIBT ES NICHT BEI EINEM TOTEN...
Am Ufer eines Sees südlich von Leipzig wird ein Politiker tot aufgefunden. Zunächst sieht alles nach Selbstmord aus, aber Indizien am Tatort lassen das Ermittlerduo Hanna Seiler und Milo Novic zweifeln. Durch sein soziales Engagement hatte sich der Tote viele Feinde gemacht, unter ihnen ein Bauunternehmer mit Kontakten zur rechten Szene. Schnell geraten Seiler und Novic unter Druck – sogar ihr Vorgesetzter stellt sich plötzlich gegen sie. Dass im Hintergrund weitaus gefährlichere Kräfte einen perfiden Plan verfolgen, erkennen die beiden Ermittler erst, als es schon fast zu spät ist …
Ich habe mich sehr auf ein Wiederlesen mit den ungewöhnlichen Ermittlern Hanna Seiler und Milo Novic gefreut, denn bereits der erste Band der Leipziger Krimis ('Eisige Tage') hat mir seinerzeit gut gefallen. Dass mich dieser zweite Band wirklich überzeugen konnte, sieht man ja schon an meiner Wertung. Doch weshalb nun genau? Sehen wir uns doch einmal den KRIMI genauer an:
- K wie Kommissare: Hanna Seiler und Milo Novic haben sich als Kollegen aneinander gewöhnt und nehmen auf die Eigenarten und Lebensumstände des jeweils anderen Rücksicht. Hanna Seiler als alleinerziehende Mutter hat häufig das Gefühl, nicht allem gerecht werden zu können und trauert außerdem ihrem Mann hinterher, der sich vor einiger Zeit das Leben genommen hat. Angeblich. In diesem Band ergeben sich einige Indizien, die darauf hindeuten könnten, dass hinter Franz Seilers Tod etwas ganz anderes steckt. Milo Novic dagegen ist ein Einzelgänger mit emotionalen Schwächen. Er ist hochsensibel, versucht sich vor zu vielen und intensiven Reizen (Geräuschen, Gerüchen, visuellen Eindrücken) zu schützen und verschanzt sich am liebsten in seiner Wohnung oder neuerdings auch in seinem Auto. Zudem ist Milo Novic Synästhektikert: er sieht Farben bei Gerüchen und bei Musik. Gemein ist den beiden Ermittlern, dass sie nicht immer 'Dienst nach Vorschrift' machen. Die Anordnung eines Vorgesetzten ist für sie nicht zwangsläufig bindend - was die beiden zuweilen durchaus in die ein oder andere heikle Situation bringt.
- R wie richtig guter Plot: Als Thema wählte Alex Pohl diesmal die linke bzw. rechte Szene in Leipzig, durchmengt mit einer Menge Korruption, Geld und Macht, undurchsichtiger Politik, verhängten Maulkörben, Intrigen und Skrupellosigkeit. Eine brisante Mischung, die zuletzt auch dem Leser um die Ohren zu fliegen droht.
- I wie intelligenter Aufbau: Kurze Kapitel und ständige Perspektivwechsel sorgen für einen immensen Sog beim Lesen, der gegen Ende in jedem Fall noch zunimmt. Zuletzt mochte ich das Buch kaum noch aus der Hand legen. Zwischen den Handlungssträngen fügten sich zwischendurch immer wieder Zeitungsartikel ein, die das Geschehen neutral kommentierten und dabei Aspekte einfließen ließen, die sich aus der eigentllichen Handlung noch nicht ergeben hatten. Dies war für mich ein gelungenes Stilmittel.
- M wie Mischung: Für mich bot dieser Krimi in vielerlei Hinsicht eine gelungene Mischung. So z.B. einen guten Mix aus interessanten Themen, schrägen Charakteren, Spannung und Humor. Und eine irre Gefühlspalette beim Lesen: Gänsehaut, Adrenalin, Betroffenheit - alles dabei. Was will man mehr?
- I wie 'Ich will mehr': 480 Seiten sind beileibe kein Pappenstiel, sollte man meinen. Doch selbst wenn mal nichts Aufregendes geschah, war ich verblüfft, wie rasch die Seiten vorbeiflogen. Der Fall ist sehr verworren, und mit jeder neuen Erkenntnis wächst im Grunde die Anzahl der Fragezeichen. Viele der Beteiligten haben eine zwielichtige Rolle, weshalb der Leser lange nicht weiß, was er nun glauben soll. Der Showdown am Ende hat es wirklich in sich, und letztlich war ich nach dem Zuschlagen des Buches ganz benommen. Aber mit dem klaren Gefühl: Ich will mehr! Hoffentlich lässt Band drei also nicht so lange auf sich warten!
Kleine Längen und das Einfließen von Klischees seien hiermit großzügig verziehen. Das Gesamtpaket konnte mich definitiv überzeugen. Ich hoffe sehr, dass Alex Pohl die Ideen für seine beiden Leipziger Ermittler noch lange nicht ausgehen!
© Parden