Rezension zu "Garten- & Wildkräuter" von Reinhardt Hess
Vitaminreiche Urahnen - Ein tolles Kochbuch
Als Kind wusste ich noch, welche Pflanzen im Garten und Wald essbar waren. Besonders aufregend war das Spielen in der Wildnis mit Freunden. Wir stellten uns vor, vollkommen abgeschnitten von der Zivilisation auf uns allein gestellt zu sein, während wir einen Unterschlupf bauten, Essbares aus der Umgebung sammelten und mit Mitgebrachtem kombinierten. Wir wurden natürlich rechtzeitig zum Abendbrot "gerettet" - und dann wanderten die gesammelten Kräuter gleich weiter in die elterliche Küche.
Jahrzehnte später musste ich das alles ein Stück weit neu entdecken. Eine unverzichtbare Hilfe war dabei dieses Buch. Gekaufte Kräuter sind nicht mit dem intensiven Duft und Geschmack von frischen zu vergleichen. Petersilie, Schnittlauch und Basilikum stehen in Töpfen stets auf der Küchenfensterbank. Sie gehören natürlich auch zu den bekanntesten und vermutlich beliebtesten Kräutern. Im Garten, auf Terrasse und Balkon lässt sich vieles selbst ziehen, aber die Natur bietet im Wald oder am Wegesrand kostenlose Köstlichkeiten.
Reinhardt Hess schlägt vor, im Frühjahr mit dem Sammeln vitaminreicher Kräuter wie Brennnesseln, Löwenzahn, Bärlauch und Knoblauch-Hederich zu beginnen. Mit diesem Vitaminstoß lässt sich Abgeschlagenheit entgegenwirken. Fundorte und Jahreszeiten werden angegeben. Wer sich das Sammeln nicht allein zutraut - so der Tipp des Autors - kann sich bei Kräuterspaziergängen Spezialisten anschließen.
Man erfährt nebenher viel Wissenswertes über die Pflanzen und Kräuter, die früher als ganz gewöhnliche Salat- und Gemüsepflanzen verzehrt wurden. So ist etwa die Weiße Melde eine Verwandte des Spinats. Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts stand sie als Sommerspinat auf den Tischen.
Auch "echte" Wildkräuter wie etwa Brennnesseln, Giersch, Schafgarbe, Gundermann oder Sauerampfer werden vorgestellt. Aber wann und wie erntet man am besten? Und wie kann man die Sträußchen möglichst lange haltbar machen? Denn man möchte ja auch im Winter frische Zutaten genießen. Hier wird alles anschaulich erläutert.
Den größten Teil des Buches füllen wunderbare Rezepte. Egal ob kräftig, herb, bitter oder süß: Es gibt leckere Ideen für alles. Auch bekannte Alltagsgerichte lassen sich mit frischen Kräutern aufpeppen und bekommen so eine vollkommen neue Note. Zusätzlich gibt es diverse Verwöhnrezepte, die sich an besonderen Tagen auf den Tisch bringen lassen. Fleisch, Fisch, Gemüse, Salat und Fingerfood, hier findet man Rezepte für alle Richtungen. Auch für Vegetarier ist Etliches dabei. Veganer oder Allergiker können tierische Bestandteile einfach weglassen bzw. durch alternative Produkte ersetzen.
Köstlich fand ich das "bunte Wok-Gemüse mit vier Kräutern" und das "Frühlingsgemüse mit Löwenzahnklößchen", bei dem sich Milch, Eier und Sahne problemlos austauschen lassen.
Fisch-Freunde können es mit "Rotbarbenfilets auf Sauerampfer-Spinat-Gemüse" oder einem "Fischfilet auf Zucchinibett" versuchen. Suppen, Hauptgerichte, Beilagen, Getränke und Desserts - da bleiben auch für den verwöhnten Gaumen keine Wünsche offen.
Auf der linken Seite der Rezepte finden sich unter der Überschrift "Das ist wirklich wichtig" grundlegende Hinweise, die man unbedingt lesen sollte. Rechts gibt es eine übersichtliche Zutatenliste (für vier Personen). Notwendige Werkzeuge werden erwähnt und die ungefähre Zubereitungszeit angegeben. Schritt-für-Schritt-Anleitungen führen durch den Kochprozess. Man kann dem Autor hier wirklich vertrauen und einfach der Reihe nach vorgehen.
Im Register werden abschließend sämtliche Kräuter und Rezepte alphabetisch aufgelistet und können so gezielt gesucht oder wieder gefunden werden. Alles ist reichhaltig und anschaulich bebildert. Da macht schon das Anschauen Freude und Lust auf die Gerichte!
Wer gern frisch kocht und dabei auch auf Garten- und Wildkräuter zurückgreifen möchte, kann bei diesem Buch zugreifen. Es eignet sich aufgrund seines übersichtlichen Aufbaus, der klaren Sprache und den verständlichen Anleitungen für Anfänger und Profis gleichermaßen. Man wächst hinein ins Thema, erfährt viel Wissenswertes rund um die Pflanzen, kann Rezepte neu entdecken und lernt, Bekanntes aufzufrischen. - Wunderbar!
(c) M. Hoevermann