In seinem ausführlichen Roman spiegelt der Autor Roman Rozina die Geschichte seines Landes Slowenien im 20. Jahrhundert an Beispiel einer Bergarbeiterfamilie. In seinem Roman umfasst der Autor ein Zeitraum von 100 Jahren. Hauptthema des Romans ist ein Leben von einfachen Leuten, dessen Dasein von Bergbau bestimmt wird, in einem fiktiven Ort Podgorje. Die Familie Knap, die im Mittelpunkt der Geschichte steht, wird im Verlauf dieser Zeit über Generationen begleitet. Sehr gut hat mir gefallen, dass der Roman chronologisch erzählt wird, da es auch trotz der Fülle von Namen, Charakteren und Geschehnissen, keine Anstrengung bedurfte, der Geschichte mit voller Konzentration zu folgen. Soziale, gesellschaftliche, historisch und politische Umbrüche und Veränderungen finden in diesem Roman Anklang. Als roter Faden zieht sich das Leben des blinden Matija durch die Geschichte. Wer Freude an geschichtlichen, nachdenklichen, tiefgehenden Betrachtungen der Entwicklung eines Landes hat, ist bei diesem Roman richtig. Ich kann die Lektüre sehr gerne weiter empfehlen. Interessant, aufschlussreich, lebendig erzählt und informativ.
Alexandra Natalie Zaleznik
Lebenslauf
Quelle: Verlag / vlb
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Der Generationenroman handelt von der Familie Knap, welche in dem slowenischen Dorf Podgorje lebt und über 100 Jahre begleitet wird. Zwar wechselt der Fokus auf verschiedene Mitglieder dieser Familie, der blind geborene Matija ist dennoch der eigentliche Protagonist der Geschichte, sein Leben markiert den Anfang und das Ende des Buchs.
Der Autor beginnt die Geschichte mit einem Unglück: Im Dorf gibt es einen Erdrutsch, welcher das Leben der Familie Knap verändert. Mithilfe von, zwar ungewohnten, jedoch schnell sympathischen Schachtelsätzen, werden wir zügig in die eigenwillige Umgebung eingeführt. Dabei schafft es der besondere Schreibstil eindrücklich das Dorfleben voller alter Fehden, komischer Aberglaube und uralter Beziehungen zu vermitteln. Mehrmals musste ich bei der Darstellung des Gezeters der "Dorfhexe" laut lachen, mehrmals verwundert den Kopf schütteln über die aus heutiger Sicht urig und verrückt erscheinenden Annahmen der Dorfbewohner über die Welt.
Leider hatte ich den Eindruck, dass sich dieser Schreibstil sich im Verlauf des Buches komplett wandelt und damit der Geschichte den schon gewonnenen Charme nimmt. Zwischendurch blitzen Elemente davon auf, jedoch hatte ich das Gefühl, ab der Hälfte des Buches hätte ein anderer Autor weitergeschrieben. Schade!
Ein großer Pluspunkt ist allerdings die historische Darstellung der verschiedenen politischen Systeme Sloweniens im 20. Jahrhundert. Zunächst geknechtet durch skrupellose Kapitalisten, dann unterdrückt durch die Faschisten, befreit und wiederaufgebaut durch die Kommunisten und Partisanen und schließlich die Konterrevolution zum ursprünglichen Zustand: Der Kapitalismus kehrt auf den letzten Seiten zurück nach Slowenien.
Dabei zeigt der Autor durchaus Sympathien für die sozialistische Epoche, schließlich sind viele der Familienmitglieder heldenhafte Revolutionäre gewesen, verweist jedoch durchaus auf Schwächen des Realsozialismus in Jugoslawien. Mir hat dabei gut gefallen, dass er sich dabei nicht auf üblichen antikommunistischen Geschichtsrevisionismus einlässt und vor allem in Kontrast zum Einfallen der deutschen Faschisten und der kapitalistischen Ausbeutung im Bergwerk, den progressiven Befreiungs- und Kollektivitätsgedanken mit dem Realsozialismus in Slowenien verbindet.
Während sich bis zur Hälfte des Buches ein Familienepos ankündigt, hat es der Autor leider im letzten Drittel des Buches plötzlich sehr eilig mit der Geschichte. Verschiedene Schicksalsschläge und Todesfälle werden hastig abgearbeitet und einige offene Fragen schlichtweg nicht beantwortet. Das letzte Kapitel hat mich persönlich dabei am meisten enttäuscht, zu unwürdig ist dies im Vergleich zum fantastischen Anfang. Dennoch gibt es einige emotionale Wendungen und Vorkommnisse, die den Leser berühren.
Insgesamt kann ich das Buch allen empfehlen, die Generationenromane wie "Hundert Jahre Einsamkeit" (Es gibt einige offensichtliche Parallelen zu diesem Buch) mochten und die etwas über die Historie des kleinen Land Sloweniens erfahren möchten.
3,5/5 Sterne
„Slowenien ist in kleines Land, erläuterte Matis, es kommt nicht allzu oft vor, dass er auf seinen Reisen der slowenischen Sprache begegnet.“ Man könnte diese Aussage als Motto nehmen, wenn man eine Rezension über dieses Buch, „Hundert Jahre Blindheit“ zu schreiben hat.
Slowenien ist ein kleines Land, es werden nicht allzu viele Romane aus dieser Sprache in die unsere übersetzt, und so ist allein schon dessen Existenz eine Art Wundertüte für uns. Wir schauen hinein …und finden in dem Roman mehr eine Sage vor als eine pure Familiengeschichte.
Der Stil, der die Zeiten nicht (ein)hält, die Figuren, die nicht richtig lebendig werden, die vielen belehrenden Dialoge, die vielen Protagonisten, das alles klingt in meinen Ohren nach einer Legende. Wir sollen belehrt werden. Geschliffene Formulierungen darf man nicht erwarten, die Erzählstimme ist schlicht und wirkt unbeholfen.
Im Großen und Ganzen geht es um 100 Jahre slowenische Geschichte, die sich von 1900 bis 2000 spannt und von dem blindgeborenen Matis ausgehend erzählt wird. Die armseligen Verhältnisse der Bergbauabeiter sind Thema, das Verhältnis von Sozialismus und Kapitalismus, von Unterdrückung, Repression und Aufbegehren, vom Lauf der Geschichte, schließlich auch vom Fortschritt, alle diese Themen bringt der Autor unter. Diese Themen sind zwar per se spannend, aber leider werden sie hauptsächlich durch lange belehrende und langweilige Dialoge an den Leser gebracht und zwar so hölzern, dass man weiß, die Menschen sprechen und diskutieren nicht untereinander, sondern diese Dialoge sind einzig und allein Belehrungsmaterial für die Leserschaft. Dies verstimmt (mich) und nimmt nicht für den Roman ein. Es wird geredet und geredet und geredet.
Natürlich erwärmt man sich ab und zu auch für einige der Figuren, so ist Sofia, zum Beispiel eine sich für die Familie aufopfernde Frau, die man lieb gewinnt und natürlich ist man auch von den mannigfaltigen Schicksalsschlägen, die die Familie Knapp trifft, berührt, aber der Roman hat doch eher informierende, als aufwühlende Elemente. Der erzählende blinde Matis ist kein Erzähler, der sich Innerlichkeiten widmet.
Trotz politischem Beiwerk, ist der Roman für meinen Geschmack nicht einmal politisch genug, weil er kaum Bezug auf die jeweiligen Herrschaftsverhältnisse nimmt, sondern gerade da im Allgemeinen bleibt und in weiten Teilen Manifestcharakter hat. Wenn ich das will, lese ich gleich das Kommunistische Manifest.
Fazit: Der Roman, ein Stück slowenische Geschichte transportierend mit Schwerpunkt Bergbau /Glashütte, behäbig informierend, sprachlich hölzern, konnte mich nicht in seinen Bann ziehen. Ein Personenregister wäre dringend erforderlich gewesen! Leider Fehlanzeige.
Kategorie: Historischer Roman
Verlag: Klett Cotta, 2023