Cover des Buches Das Leben ist zu kurz für später (ISBN: 9783868829167)
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Rezension zu Das Leben ist zu kurz für später von Alexandra Reinwarth

Leben entrümpeln, dem Herz folgen, einfacher gesagt als getan, oder?

von Antek vor 6 Jahren

Rezension

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Antekvor 6 Jahren

Wie oft ist aus dem Poesiealbum Spruch „Carpe Diem“ aus Kindertagen ein Frohsein, wenn man das „Leben einigermaßen hinbekommt, wenn man sich über die kleinen Dinge erfreuen kann.“ Ja so ist es auch bei mir, der Alltag läuft und ich bin grundsätzlich eigentlich ganz zufrieden mit meinem Leben, doch ab und an auch sehr in meinem Hamsterrad gefangen, Freunde, der Genuss kommt aus Pflichtgefühl oft zu kurz und deshalb war ich sehr gespannt auf das Experiment der Autorin.


Diese hat sich nämlich nach einer erneuten Krebsdiagnose einer Bekannten ein fiktives Sterbedatum gesetzt. Was wäre, wenn ich nur noch ein Jahr zu leben hätte? Und genau von diesen Erfahrungen berichtet sie in ihrem Ratgeber, der mich zweigespalten zurücklässt.


Wirklich gut gefallen hat mir, ihr absolut locker, spritziger Schreibstil, sodass sich das Ganze wie ein Roman liest, der einfach auch nur amüsant unterhält. Ich konnte über so manche Szene schmunzeln, habe bei Wortschöpfungen oder dem einen oder anderen pointierten Spruch mit einem Grinsen gelesen. Man muss sich auf gar keinen Fall durch die Seiten kämpfen, auch wenn der Inhalt vielleicht nicht ganz so überzeugt, wie es bei mir der Fall war.


„Wie, Wo mit Wem und von Was… will ich leben.“, sind laut Autorin die vier Säulen des Daseins, die man überprüfen, seinem Herzen folgen und auch umgestalten muss. Man sollte sich nicht mit kleinen Dingen ablenken, weil einem der Mut für das Große fehlt. Ein Beruf, in dem ich totunglücklich bin, käme für mich auch nie infrage, klar da lieber weniger verdienen. Aber das hört sich alles toll an, ist meiner Meinung aber auch leichter gesagt als getan und ich bin der Meinung, dass vieles bei ihrem Experiment nur geklappt hat, weil ihr Umfeld stimmt. Denn, „Als ich Anne erkläre, dass ich sie möglichst oft sehen will, weil ich in meiner imaginären Welt nächsten Februar hops gehe, entgegnet sie trocken: Ja aber ich doch nicht! Und schmeißt mich raus.“, ist der einzige Satz in diesem Buch, der ihren Plänen und Ideen deutliche Grenzen von außen zeigt. Sie kann es sich leisten weniger zu arbeiten, um mehr Zeit mit ihrem Kind zu verbringen, sie hat eine Familie und Freunde, die sie unterstützen, wenn es darum geht den Traum vom eigenen Bed and Breakfast zu verwirklichen, sie hat einen Mann, der sich nach fünfzehn Jahren gemeinsamer Hütte auf zwei Wohnungen einlässt, klar ist das erfrischend für die Beziehung, sie träumt von einem teuren Ring, erkennt dann, dass den zu kaufen nicht wirklich glücklich macht, verzichtet und bekommt ihn von ihren Freunden geschenkt. Wer hat schon solche, die einem zudem nicht krumm nehmen, wenn man ihnen Sätze „Was bist du eigentlich für ein gefühlskalter Arsch!“ vor den Latz knallt.


Die Autorin relativiert zwar immer wieder, zumindest versuchen muss man es und man kann auch scheitern, und warnt auch „Es reicht nicht, sich gegen etwas zu entscheiden, das man nicht will. Man muss sich für etwas entscheiden, was das Herz will!“, aber grundsätzlich läuft für sie alles so glatt, dass man hier auf keinen Fall ein Ideal oder eine Anleitung finden kann, die man auf sich als Leser einfach übertragen kann.


Ich habe in den vergangenen Jahren Freunde bereits aussortiert, lebe in einer Wohnung, in der ich mich rundherum wohlfühle, habe einen Job, zu dem ich mich nur gelegentlich Montagmorgens einmal schleppen muss, grundsätzlich aber gerne gehe. Ich hatte mir erhofft auch kleine Dinge zu finden, die ich einfach in meinen Alltag einbeziehen kann, denn ich teile ihre Meinung, man darf auf keinen Fall bei allem was Großes und Tolles zu planen vergessen, den Augenblick zu genießen. Bei kleinen alltagspraktischen Tipps bin ich eher weniger fündig geworden, auch wenn ich einige Gedanken sehr inspirierend fand. „Alles bewusster und nicht mit Gedanken bei anderen Dingen zu erledigen“, ist sicher ein solcher, um den ich mich auf jeden Fall in nächster Zeit, bevor mich der Alltag wieder überrollt, halten möchte. Auch wenn mir etwas am Herzen liegt, dies sofort aussprechen, Gefühle offen legen, keine unsichtbare Wand bauen, klar das nehme ich mir allerdings schon lange vor, bisher klappt das eher mäßig. Auch bei „Vielleicht sagt er Ja, vielleicht sagt er Nein - Schmerz oder Glück, das ist das Risiko, das ist Leben! Es ist doch bessere beides zu fühlen statt vorsichtshalber lauwarm auf halb acht herumzueiern.“, ist mir durchaus bewusst, dass sie so recht hat, aber mehr Mut zu haben, nicht von Versagensängsten gehindert zu werden, ist auch einfacher gesagt, als getan, aber vielleicht hilft ja der Gedanke nur noch wenige Tage oder Wochen leben zu dürfen wirklich, ich werde es testen.


„Wir wissen natürlich, dass wir irgendwann in die Grube fahren, wie sind ja nicht bescheuert – aber im Alltag wird dieses Wissen im Hirn ganz hinten aufbewahrt, wo man es, wenn nötig zwar findet, aber wo man eben auch nicht permanent darüber stolpert. Und dann benehmen wir uns weiterhin so, als wären wir unsterblich.“ Ob man sich unbedingt eine selbst entworfene Sterbeanzeige aufhängen muss, bleibt wohl jedem selbst überlassen. Aber der Gedanke daran, dass einen das Zeitliche segnen wird, hilft dabei ein paar Dinge geradezurücken, darin stimme ich der Autorin zweifelsohne zu und ich habe mir auf jeden Fall vorgenommen, mir dies in Zukunft auf jeden Fall viel öfters vor Augen zu halten, ganz besonders, wenn ich mich über etwas ärgere oder aufrege. Wenn ich damit den einen oder anderen Nerv sparen kann, hat sich die unterhaltsame Lektüre ja auch auf jeden Fall gelohnt und ich vergebe noch vier Sterne für einen vergnüglichen Ratgeber, der das Rad allerdings auch nicht neu erfindet.


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