Rezension zu "Kulturgeschichte der Deutschen Reichsbahn" von Alfred B. Gottwaldt
Epochenprägend, so könnte man die Deutsche Reichsbahn wohl am ehesten beschreiben. Ihre fast 75jährige Geschichte einmal zusammengefasst - das ist grundsätzlich guter Stoff für ein spannendes Sachbuch. Fast acht Jahrzehnte und drei politische Systeme hat sie er- und teils auch überlebt, für viele ist sie das Synonym für die Dampflokzeit und nostalgische Erinnerungen.
Bei der Nostalgie belässt es der Autor allerdings nicht und das ist auch gut so. Dennoch wird im Vorwort sowohl die Erinnerung an die "alte Zeit" erwähnt und mithilfe der Covergestaltung durchaus suggeriert, dass damals eben alles schicker, eleganter, ernstzunehmender und vielleicht doch auch ein bisschen besser war. Nun gut, diese Meinung darf man haben, nach Lektüre des Bandes dürfte man ohnehin einen realistischen Eindruck von DRG und DR bekommen. Vom reichseigenen Unternehmen bis hin zum sozialistischen Vorzeigebetrieb ist viel geschehen.
Mancher mag bemängeln, dass der Autor die Kapitel Krieg und Judenvernichtung nicht ausführlicher darstellt, doch hier wurde nicht etwa nachlässig gearbeitet oder irgendetwas bewusst unterschlagen. Es sei daran erinnert, dass Gottwaldt über diese Themen sogar eigene Bücher geschrieben hat, etwa "Die Reichsbahn und die Juden" oder den eingangs erwähnten Band über Kriegslokomotiven. Die unrühmlichen Kapitel werden also nicht ausgespart sondern als Teil der Geschichte der Reichsbahn im gegebenen Rahmen miterzählt.
Kritisieren muss man allerdings die Wahl des neuen Buchformats, das auf den ersten Blick auf einen großformatigen Bildband hoffen lässt. Tatsächlich enthielten schon frühere Auflagen zahlreiche farbige und schwarzweiße Bilder, doch sie wurden hier nur selten sinnvoll in den neuen Satzspiegel eingepflegt. Manchmal gelingt es, etwa mit der beeindruckenden Großaufnahme der Boxpok-Räder der BR 01.5 auf S. 157, doch viel zu oft findet sich auf einer Seite nur ein kleines verlorenes Motiv umgeben von riesigem Weißraum oder gar Bilder, die unmotiviert in den Beschnitt gerückt wurden, ohne Gefühl für den Aufbau der Seite.