Cover des Buches Die Welt ohne Hunger (ISBN: 9783903005389)
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Rezension zu Die Welt ohne Hunger von Alfred Bratt

Zwischen Macht, Gier und Utopie

von herrzett vor 6 Jahren

Rezension

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herrzettvor 6 Jahren
"Die Welt ohne Hunger" von Alfred Bratt begleitet mich nun schon eine Weile und das in vielerlei Hinsicht. Obwohl dieser Roman erstmalig 1916 veröffentlicht wurde, hat er auch noch heute eine ungeheure Aktualität. Wie der Titel es bereits erahnen lässt, geht es in diesem Buch nicht nur um den Hunger als solches, auch Kapitalismus und Sozialismus halten Einzug und das nicht ohne Grund.

"Die Verteilung der Werte, wie sie heute besteht, ist ungesund und rechtlos. Die grenzenlose Stapelung der Kapitalien auf der einen Seite und die mit dem Mangel der primitivsten Entwicklungsmöglichkeiten verbundene Wertlosigkeit auf der anderen Seite..."

In dieser Geschichte geht es um den Wissenschaftler Alfred Bell, der eine ganz besondere Erfindung für die Menschheit bereithält. Er will die "Kluft zwischen Arbeiter(n) und Unternehmer(n)" mindern, den Ärmsten die Möglichkeit geben zu überleben und den Hunger der Welt besiegen. Doch gerade dies lässt ihn zunächst mehr und mehr am Hungertuch nagen. Auf der Suche nach den finanziellen Mitteln und Geldgebern gerät Bell in die Hände eines sehr einflussreichen Anführers, der die untere Klasse gegen die Obrigkeit mehr oder minder aufhetzen und Bells Erfindung für Machtspiele missbrauchen will. "Ich bin das Dunkel, das Ihnen fehlt, das Schwarz, ohne das alles Weiß eine himmlische Illusion bleibt! Sie und ich - wir könnten erobern ... wenn Sie wollten ..." Als durch ihn Bells Erfindung durch die Zeitungen inszeniert ans Licht kommt und den Druck auf ihn erhöhen, will Bell nur eins: raus! Raus aus dieser Situation. Er will keine Marionette in einem truglosen Spiel sein, sondern der Gesellschaft helfen. Eine Utopie, wie es scheint, doch ein tragischer Unfall bringt ihn dann in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, wo seine Erfindung auf mehr als offene Ohren stößt ...

"Die anderen aber kümmerten sich nicht um die Opfer, die zu Fall kamen; ohne hinzublicken, setzten sie sich darüber hinweg, ohne anderen Gedanken als des eigenen Vorteils, ohne anderes Gefühl als der Selbsterhaltung und der persönlichen Gier."

Ich muss zugeben, es ist zunächst etwas ungewohnt, gar schwierig in diesen Roman hereinzufinden, was an der zwar sehr detaillierten, aber für heute Sicht doch recht ungewohnten Erzählweise liegen könnte. Ich kann auch noch nicht mal sagen, dass die Geschichte mich als solches mitgerissen hat. Es sind eher die Hintergründe, die hier faszinieren. "Die Welt ohne Hunger" ist nämlich ein Roman mit ganz vielfältigen Einflüssen. Neben den Spannungen und Machtkämpfe der Arbeiterklasse und gehobeneren 'Elite' kommen der Einfluss der Presse, die fortschreitende Industrialisierung und die Hoffnung auf eine bessere Welt zu tragen. Ein Roman voller Gesellschaftskritik, der nach wie vor nicht aktueller sein könnte. Heutzutage wäre er ein guter Vergleich mit der Grundsicherung in Deutschland möglich. Wie viel ist zu wenig und wann lohnt es sich überhaupt noch zu arbeiten? Doch Bratt geht irgendwie noch weiter. Er zeigt, wie Spannungen und Unzufriedenheiten aufgrund von Hilfestellungen entstehen und warum es unmöglich scheint, aus einer Utopie heraus eine Realität werden zu lassen. Es wäre alles so einfach, wenn der Mensch nicht wäre, doch Neid, Egoismus und Wettkampf, können so einiges zerstören.

"Gerecht ist - was man erwirbt, erkämpft. Sie aber wollen schenken, Bell! Das ist der Fehler in Ihrer Rechnung. Blicken Sie zurück bis zum Anfang aller Dinge - Sie sehen, daß alles Kampf war, ist und sein muß! Sie aber rühren an das, das die Grundlage allen Kämpfens, allen Fortschritts ist. Sie wollen Hunger töten."

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