Rezension zu "Wie erfolgreiche Trader denken und handeln" von Ali Taghikhan
Man stelle sich einmal vor, man würde ein Seminar besuchen mit dem Titel "Wie erfolgreiche Formel 1-Fahrer denken und handeln" und sein Inhalt wäre zunächst die Vorstellung und Erklärung der Knöpfe am Lenkrad und der Pedale. Anschließend hört man einen Vortrag zu allgemeinen mentalen Fragen beim Motorsport und der Denkweise tatsächlicher Formel 1- Fahrer. Dann dürfte man einige Runden mitfahren und bekäme dabei ein paar Hinweise zum Fahren in Kurven. Anschließend erhält man das Auto zum Ausprobieren. Wie würde das wohl enden?
Auch wenn der Vergleich zu diesem Anfängerbuch für potentielle Trader für manche Menschen etwas hergeholt erscheinen mag, so abwegig ist er nicht. Der Unterschied liegt nur im Respekt. Trading traut sich jeder zu, in ein Formel 1-Auto zu steigen wohl kaum jemand bei so einer dünnen Vorbereitung und sicher fehlender körperlicher Voraussetzungen.
Der Inhalt dieses Buches ist auf den ersten Blick nicht schlecht. Zunächst werden zahlreiche technische Fragen des Börsenhandels, Begriffe und Prozesse erläutert. Ohne eine solche Vorbereitung geht es sicherlich nicht. Doch was sie tatsächlich wert ist, zeigt sich erst in der Praxis. Und da sind wir schon beim Thema, denn dieses Buch ist auch eine Art Anfütterung für die Seminare der oft genug durchscheinenden Firma ATT-Trading, die man mit der Suchmaschine seiner Wahl leicht finden kann. Wirkliches Trading lernt man nicht aus Büchern, auch nicht aus diesem. Auch sein Titel "Wie erfolgreiche Trader … handeln" ist mutig, denn in Wirklichkeit wird eine einzige Handelsstrategie vorgestellt. Und die verläuft grob gesprochen so:
Man sucht sich zunächst einen Trend (was das in der Wahrnehmung der Autoren ist, wird im Buch erklärt). Dann wartet man auf eine Korrektur dieses Trends, aus der sich drei favorisierte Einstiege ergeben: (1) Bei Wiederaufnahme der trendkonformen Bewegung nach einer Korrektur, wobei in dieser Bewegung das Extremum einer eingebetteten 1-2-3-Formation in Trendrichtung genommen wird; (2) Jenseits einer 50-Prozent-Korrektur; (3) Bei einer Umkehrkerze innerhalb einer fortgeschrittenen Korrektur. Die Einzelheiten findet man im Buch. In der Tat sind das vernünftige Konzepte. Allerdings stellen sie sich in der Praxis nicht ganz so schematisch klar und deutlich dar wie in diesem Buch, was übrigens kein Lob für die grafische Aufbereitung im Text ist, denn die ist ziemlich unbefriedigend, weil man kaum etwas wirklich erkennen kann.
Nicht immer existieren zum Beispiel hinreichend viele 50-Prozent-Korrekturen. Beim Dax-Anstieg von Anfang September bis Ende Oktober 2017 gab es keine einzige Korrektur dieses Ausmaßes, aber eine Bewegung von fast 1500 Punkten. Was macht man in solch einer Situation? Gemessen am allgemeinen Titel dieses Buches ist der vorgestellte Handelsansatz dann doch ziemlich dürftig, zumal die wirklichen Fragen erst entstehen, wenn eigenes Geld im Spiel ist. Dann nämlich wird sich sehr schnell zeigen, dass ein kurz hingeworfenes Handelsschema nicht auf alle Fragen Antworten bereit hält, sondern nur gewisse Situationen beschreibt, die praktisch selten so klar erscheinen wie sie in diesem Buch dargestellt werden.
Neben diesem Handelsansatz gehen die Autoren noch auf zahlreiche andere Fragen ein, wie zum Beispiel die Trade-Verwaltung, das Risiko- und Money-Management oder psychische und mentale Fragen beim Börsenhandel.
Die meisten Hobby-Trader scheitern. Und das hat einen ganz einfachen Grund: Trading ist eine Tätigkeit, die jenseits der Erfahrungswelt der meisten Menschen liegt. Jeder Missgriff wird gnadenlos bestraft, und man kann sich nicht herausreden, denn das Konto lügt nicht. Bei dieser Tätigkeit muss man nicht nur herausfinden, wie sie tatsächlich praktisch funktioniert, was schon schwer genug ist, sondern man muss sich auch selbst neu kennenlernen. Das Wettrennen zwischen dieser oft komplizierten Erkenntnisgewinnung und der Pleite gewinnt deshalb meistens die Pleite.
Das ist natürlich kein Thema in diesem, wie in den meisten Anfängerbüchern, was wiederum kein Wunder ist, weil sie fast immer nur den Lockvogel spielen. Mir fällt eine Bewertung dieses Textes recht schwer. Einerseits steht nichts Falsches drin, andererseits protzt der Titel doch ziemlich. "Nicht schlecht" wäre wohl angemessen, also drei Sterne.