Cover des Buches Tanz der seligen Geister (ISBN: 9783908777557)
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Rezension zu Tanz der seligen Geister von Alice Munro

Rezension zu "Tanz der seligen Geister" von Alice Munro

von Clari vor 14 Jahren

Rezension

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Clarivor 14 Jahren
Geschichten aus der Feder einer Meistererzählerin! Alice Munro, geboren 1931, gilt heute neben Philip Roth in Amerika als eine der größten lebenden kanadischen Schriftstellerinnen der Gegenwart. Man konnte sich neulich in einem Autorengespräch (Adam Heslett und Jonathan Franzen in „Der Spiegel“ vom 25.01.2010) nicht einigen, wer von den beiden vorrangig den Literaturnobelpreis verdient hätte, wenn er denn überhaupt einmal wieder nach Amerika / Kanada gehen sollte! „Tanz der seligen Geister“ ist ein Querschnitt aus dem Leben der kleinen, der armen und der skurrilen Leute. Ein reisender Heilmittelverkäufer nimmt seine beiden kleinen Kinder auf eine seiner Reisen mit. Sie wissen unausgesprochen, dass sie zu Hause nichts über den Tanz mit Nora und seinem Whiskeykonsum verlauten lassen dürfen. Szenenwechsel : In einem Dorf versammeln sich junge Paare, um eine alte Frau, die ihnen mit ihrem reichlich verkommenen alten Haus nicht ins Erscheinungsbild ihrer Siedlung passt, mit einem rechtlichem Vorwand zu vertreiben. Eine einzige unter den jungen Frauen spürt, dass hier Unrecht geplant wird. Die Geschichte endet mit dem wunderschönen Satz, den sie zu sich selber spricht: „ Es gibt nichts, was du im Augenblick tun kannst, außer die Hände in die Taschen zu stecken und dir ein unvoreingenommenes Herz zu bewahren.“ Alice Munro nimmt sich in ihren Geschichten der kleinen Leute, ihrer Träume und versteckten Hoffnungen an. Es sind ihre feinsinnigen Beobachtungen, die, in Sprache umgesetzt, ans Gemüt rühren. Sie weiß, was die Menschen bewegt, sie schaut in die Tiefen ihrer Seelen und lässt sie dann selber sprechen, handeln und agieren. Eine Geschichte verspricht schon die nächste mit klugen Aussagen über das Leben im Allgemeinen und hier besonders im gewöhnlichen Alltag. Die Angst und das Außenseiterum, die von der Gesellschaft Verstoßenen und Ausgeschlossenen, auch zwei alte Damen mit ihren Schrullen finden hier Beachtung ebenso wie Kinder, die schon bald hinter die Geheimnisse der Erwachsenen kommen. Wie könnte das schöner heißen als in dieser Passage:“ Wie die Kinder im Märchen, die gesehen haben, dass ihre Eltern mit furchterregenden Fremden einen Pakt geschlossen, die entdeckt haben, dass unsere Ängste auf nichts als der Wahrheit beruhen, die aber nach wundersamer Rettung aus Gefahr heil nach Hause kehren, artig und wohlerzogen zu Messer und Gabel greifen und vergnügt bis an ihr seliges Ende leben---wie sie, von den Geheimnissen benommen und mit Macht begabt, sagte ich nie auch nur ein Wort.“S.79 So werden die Bösen und die Guten verkörpert, und alles ist wie im richtigen Leben! Munros Kurzgeschichten reihen sich wie Perlen auf eine Schnur. Man meint, dass ein Anreiz schon genügt, um aus ihr die schönsten Geschichten hervorzulocken. Sie verzaubert uns mit ihren Wahrnehmungen. Liebe, Einfalt, Gerechtigkeit, Geiz, Bösartigkeit, Argwohn und Eifersucht: Alice Munro sieht alles und gibt es chronologisch in aussagekräftigen und poetischen Bildern zu Protokoll. Man muss die Autorin mit dem gescheiten, weisen und humorvollen Blick bewundern! In einer schönen, bibliophilen Ausgabe hat der Dörlemann Verlag die Kurzgeschichten von Alice Munro herausgebracht, ein Genre, in dem sich die Autorin besonders auszeichnet. Die Erzählungen sind 1968 das erste Mal in Kanada erschienen und liegen mit dieser Ausgabe zum ersten Mal in der ausgezeichneten Übersetzung von Heidi Zerning auf Deutsch vor.
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