Alicia Erian
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Unverblümt
Towelhead
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Rezension zu "Unverblümt" von Alicia Erian
„Unverblümt“ ist ein wunderbares Buch. Jasira ist ein 13 Jahre junges Mädchen, steckt gerade in der Pubertät und bekommt große Brüste, auf die ihre Mutter eifersüchtig ist. Barry, der Freund der Mutter, findet Jasira sexy und als die Mutter das herausfindet, schickt sie ihre Tochter zu dem verhassten Vater nach Texas. „Daddy“ ist eigentlich kein netter Mensch: er neigt zum Rassismus (obwohl er selber aus dem Libanon stammt) und schlägt Jasira – auch dann wenn sie ihn eigentlich gerade umarmen will. Es ist also nicht verwunderlich, dass sie ausbüxt, als Daddy wieder mal mit Schlägen droht. Unterschlupf findet sie bei den neuen Nachbarn Melina und Gil, die sich wenigstens um Jasira kümmern. Während Jasiras Mutter inzwischen ihre Entscheidung bereut und diese wieder zu sich holen will, besteht auch ihr Vater auf ihre Rückkehr – zu ihm.
Jasira kann sehr poetisch ausdrücken, wie die Situation bei ihrem Vater zu Hause ist: „Wenn unser Baum Empfindungen hätte, wäre er bestimmt sehr traurig darüber, dass er Weihnachten bei uns verbringen muss.“
All das klingt wie eine komplizierte Familiengeschichte, ist aber viel mehr als das. Denn Jasira ist sich ihres Körpers und dessen Wirkung bewusst. Sie steigt schon mit ihren 13 Jahren in die Welt des Sex ein – gewollt, aber auch ungewollt – (die Sexszenen werden sehr detailliert beschrieben), macht erste Erfahrungen mit Alkohol. All ihre bizarr anmutenden Eskapaden nimmt Jasira auf sich, weil sie sehr einsam ist. Und eigentlich will sie nur geliebt werden und jemanden haben, der sich um sie kümmert.
Die Geschichte ist wirklich unverblümt und schonungslos erzählt, es wird nichts ausgelassen. Und das alles aus der Perspektive eines 13jährigen Mädchens! Manche Stellen lesen sich darum sehr kindlich und man darf dabei herzhaft lachen, andere aber treiben einem die Tränen in die Augen – oder verursachen gar Entsetzen.
Definitiv eines der besten Bücher, das ich je über Pubertät gelesen habe. Eine kleine Perle…
Rezension zu "Unverblümt" von Alicia Erian
Wenn man die Aussage "Was Charlotte Roches "Feuchtgebiete" für Deutschland sind, ist Alicia Erians "Unverblümt" für die Welt." liest, dann fragt man sich, was einen hier wohl erwartet. Ein schockierendes Buch mit gewissem Ekelfaktor, das "Feuchtgebiete" noch an Belanglosigkeit übertrifft? Das wäre wirklich vollkommen falsch gedacht!
"Unverblümt" ist in mancherlei Hinsicht tatsächlich ein herrlich unverblümtes Buch, das aber niemals niveaulos wird. Es erzählt die Geschichte der 13-jährigen Jasira, deren Mutter sie zu ihrem libanesischen Vater abschiebt. Sie selbst ist zu sehr mit eigenen Liebesdingen beschäftigt, als dass sie sich noch um eine pubertierende Tochter kümmern könnte.
Das Problem hierbei ist, dass Jasiras Vater extrem konservativ ist und seine Tochter einfach nicht versteht bzw. verstehen will, sie nicht als eigenständigen Menschen mit eigenen Entscheidungen betrachtet. Als Jasira ihre Periode bekommt, darf sie z.B. keine Tampons benutzen, obwohl sie das viel lieber täte. Befremdlich sind auch die Szenen, als ihr Vater sie beim BH-Kauf begeleitet und sie ihm später jedes Modell vorführen muss. Eins ist eindeutig: Jasira lernt schnell ihren Vater zu fürchten, weil sie seine Handlungsweisen und Entscheidungen nicht nachvollziehen kann.
Vollkommen alleingelassen versucht Jasira sich durch diese Zeit der vielen neuen Eindrücke und Entwicklungen zu schlagen. Sie schaut sich Playboy-Hefte an, die einen ganz besonderen Reiz auf sie ausüben, klaut Tampons bei Müttern von Freunden und verliebt sich in ihren Nachbarn, der etwa so alt ist wie ihr eigener Vater.
Immer mehr verstrickt sie sich in Probleme und entwickelt Ängste gegenüber allem und jedem. Ohne große Sorgen geht sie zudem auf die sexuellen Angebote eines Mitschülers ein.
Gerade als Frau kann man sich extrem gut in die missliche Lage von Jasira hineinversetzen. Wie verstörend muss es sein, vollkommen allein dazustehen und mit der Veränderung des eigenen Körpers klarkommen zu müssen, ohne jegliche Information darüber? Lediglich eine nette Nachbarin ist dem Mädchen eine wirkliche Hilfe in dieser Situation!
"Unverblümt" ist tatsächlich ein sehr direktes Buch, aber es schlägt nicht über die Stränge, nur um des Schockierens willen. Vielmehr schockieren hier die Familiengeschichte von Jasira und die riskante Lage, in die sie schließlich gerät, weil ihr niemand wirklich beiseite steht. Was an körperlichen Aspekten beschrieben wird, sollte niemanden verwundern, denn das ist alles vollkommen natürlich und echt!
Die Autorin, Alicia Erian, überzeugt durch eine zum Inhalt passende Offenheit und eine dramatische Geschichte, der man sich nicht entziehen kann. Ab und zu muss der Leser das Buch aber sicher zur Seite legen, um verschnaufen zu können. Es ist wirklich harter Tobak und man fühlt intensiv mit Jasira mit, deren Wünsche und Bedürfnisse einem moderen Menschen des 21. Jahrhunderts doch eigentlich vollkommen normal erscheinen sollten.
Eine ständige greifbare Anspannung und die Dramatik des Handlungsverlaufs machen dieses Buch einzigartig und so lesenswert. Durchaus ist "Unverblümt" auch für ältere Jugendliche geeignet! Es wird dort nichts geschildert, was verrucht oder ekelhaft wäre. Nein, vielmehr zeigt dieser Roman die ernsthaften Probleme eines pubertierenden Mädchens auf, das in der Gesellschaft keinen wirklichen Rückhalt findet.
Tatsächlich ist dieses Buch ein Buch für die Welt! Es öffnet Augen und ist ein Plädoyer an die Offenheit und das Verständnis der Menschen - speziell Eltern - für ihre Kinder!