Alma Hannig

 4,5 Sterne bei 2 Bewertungen
Autor*in von Franz Ferdinand.

Alle Bücher von Alma Hannig

Cover des Buches Franz Ferdinand (ISBN: 9783850028455)

Franz Ferdinand

 (2)
Erschienen am 08.10.2013

Neue Rezensionen zu Alma Hannig

Cover des Buches Franz Ferdinand (ISBN: 9783850028455)
A

Rezension zu "Franz Ferdinand" von Alma Hannig

"Er war kein Grüßer". Erzherzog Franz Ferdinand in seiner Zeit
Andreas_Oberendervor 3 Jahren

Der 1914 in Sarajewo ermordete österreichische Thronfolger Franz Ferdinand gehört, wenn man so will, zu den "Profiteuren" des heranrückenden Weltkriegsjubiläums. In jüngster Zeit sind zwei neue Biographien erschienen, die Leben und Persönlichkeit des Erzherzogs und Thronerben in den Blick nehmen. Der Böhlau-Verlag hat eine deutsche Ausgabe der Franz-Ferdinand-Biographie von Jean-Paul Bled herausgebracht, und bei Amalthea ist die vorliegende Biographie der Bonner Historikerin Alma Hannig erschienen. Beide Bücher gleichen sich inhaltlich und ihrer Bewertung Franz Ferdinands weitgehend, so dass keinem von beiden der Vorzug gegeben werden kann. Im Gegensatz zu früheren Autoren hat Hannig umfangreiche Archivstudien betrieben. Ihr Werk richtet sich sowohl an Fachhistoriker als auch an historisch interessierte Laien. Hannig möchte herausarbeiten, welche politischen Vorstellungen und Ziele der Erzherzog hatte und welchen konkreten Einfluss er auf die Regierungsgeschäfte nahm.

Die Biographie kombiniert den chronologischen mit einem thematischen Ansatz. Die ersten zwei Kapitel behandeln Kindheit und Jugend Franz Ferdinands, sein unverhofftes Aufrücken auf die Position des Thronfolgers und seine morganatische Ehe, die das Verhältnis zu Kaiser Franz Joseph nachhaltig belastete und den Erzherzog innerhalb der kaiserlichen Familie isolierte. Die folgenden Kapitel untersuchen Persönlichkeit und Wirken Franz Ferdinands aus verschiedenen Blickwinkeln. Hannig skizziert die Repräsentationsaufgaben, die der Erzherzog im Dienst der Monarchie erfüllte. Danach geht sie auf seine politischen Vorstellungen, seine Planungen für die Zeit nach dem Thronwechsel, sein Verhältnis zu den Ungarn, zu den politischen Parteien der Habsburgermonarchie, zur Presse und zur Katholischen Kirche ein. Hannig arbeitet heraus, dass Franz Ferdinand, ein in konventionellen monarchisch-konservativen Kategorien denkender Mann, keine konkreten Reformpläne entwickelte. Seinen Überlegungen und Gedankenspielen zur Zukunft der Habsburgermonarchie haftete stets etwas Unausgereiftes und Vorläufiges an. Zu keinem Zeitpunkt legte er sich auf eine bestimmte Option fest, sei es die Erweiterung des Dualismus zum Trialismus, sei es die Umwandlung des Vielvölkerreiches in eine Föderation von Nationalitäten.

Patentlösungen für die Strukturprobleme des Reiches hatte der Thronfolger nicht zur Hand. Ein brauchbares Programm für seine künftige Regierung zu entwickeln fiel ihm auch deshalb schwer, weil er keine nennenswerte politische Basis hatte, weder im Parlament noch unter den adligen Eliten des Reiches. Imagepflege hielt der Erzherzog für unnötig, eine Haltung, die wohl nur mit dynastischem Dünkel zu erklären ist. Hannig ist der Auffassung, dass Franz Ferdinands Desinteresse an seinem öffentlichen Image und am Aufbau einer politischen Basis nach dem Thronwechsel zu erheblichen Problemen geführt hätte. Für die Öffentlichkeit war der Thronfolger ein schwer einzuschätzender Mann. Er wurde als distanziert und unzugänglich wahrgenommen. Die Stilisierung zum verhinderten Retter der Monarchie, zum Hoffnungsträger, der tragischerweise nicht zum Zuge gekommen sei, erfolgte erst nach dem Ersten Weltkrieg. Vor dem Attentat von Sarajewo äußerten viele Stimmen Zweifel daran, ob Franz Ferdinand zum Herrschen geeignet sei und die vor ihm liegenden Herausforderungen werde meistern können.

Am Beispiel der Außenpolitik zeigt Hannig, dass Franz Ferdinand mehr Einfluss auszuüben vermochte als bislang angenommen. Sie stützt sich hierbei auf ihre eigenen Forschungen zur Diplomatie und Außenpolitik Österreich-Ungarns am Vorabend des Ersten Weltkrieges. Der Thronfolger beeinflusste nicht nur wichtige Personalentscheidungen, sondern schaltete sich auch ins außenpolitische Tagesgeschäft ein. Franz Ferdinand setzte auf eine Verständigung mit Russland. Außerdem war er bestrebt, Österreich-Ungarn nicht zum Juniorpartner und Vasallen des Deutschen Reiches herabsinken zu lassen. Seine Hoffnungen, das Dreikaiserbündnis zwischen Deutschland, Russland und Österreich-Ungarn erneuern zu können, bewertet Hannig als aussichtslos und wirklichkeitsfremd. Franz Ferdinand unterschätzte das russische Misstrauen gegenüber Österreich-Ungarn und das Konfliktpotential, das der Balkanpolitik der beiden Reiche innewohnte.

Damit nicht genug: Hannig bezweifelt auch, dass Franz Ferdinand den Ruf eines "Friedensfürsten" verdient, der den Krieg als Mittel der Politik kategorisch ausgeschlossen habe. Am Beispiel des Ersten Balkankrieges (1912/13) zeigt sie, dass der Thronfolger zeitweise sehr wohl bereit war, einen Präventivkrieg gegen das erstarkende Serbien zu führen. Mangelnde Rückendeckung aus Berlin verhinderte schließlich ein österreichisches Losschlagen gegen den verhassten Nachbarn. Hannig hält es für denkbar, dass Franz Ferdinand als Herrscher nach einer Phase innerer Reformen und Konsolidierung durchaus eine zupackende Außenpolitik verfolgt und Österreich-Ungarns Stellung als Großmacht notfalls auch durch Krieg gesichert hätte. Allerdings sei für ihn nur ein Krieg zum "richtigen" Zeitpunkt in Frage gekommen, d.h. in einer für Österreich-Ungarn günstigen außenpolitischen Großwetterlage.

Alma Hannig hat eine im besten Sinne seriöse und überdies gut lesbare Biographie vorgelegt, der viele Leser zu wünschen sind. An manchen Stellen wäre etwas mehr Kontextualisierung hilfreich gewesen. Die Probleme des Dualismus, das diffizile Verhältnis zwischen Österreich und Ungarn innerhalb der Doppelmonarchie hätten etwas ausführlicher erklärt werden können. Einige Kapitel sind recht kurz geraten und kratzen nur an der Oberfläche derjenigen Themen, die sie behandeln. Die schwierige Beziehung zwischen Franz Ferdinand und seinem Onkel, Kaiser Franz Joseph, hätte mehr Aufmerksamkeit verdient. Alles in allem zeichnet die Biographie aber ein plastisches und anschauliches Bild von der Persönlichkeit Franz Ferdinands. Frappierend ist der Kontrast zwischen dem durchaus geselligen und umgänglichen Privatmann einerseits und der öffentlichen Wahrnehmung des Erzherzogs andererseits. Die Biographie zeigt, wie schwer es diesem habsburgischen Thronerben fiel, ein konstruktives und zeitgemäßes Verhältnis zu der Gesellschaft zu entwickeln, die ihn umgab. 

(Hinweis: Diese Rezension habe ich zuerst im Januar 2014 bei Amazon gepostet)

Gespräche aus der Community

Starte mit "Neu" die erste Leserunde, Buchverlosung oder das erste Thema.

Community-Statistik

in 2 Bibliotheken

Worüber schreibt Alma Hannig?

Was ist LovelyBooks?

Über Bücher redet man gerne, empfiehlt sie seinen Freund*innen und Bekannten oder kritisiert sie, wenn sie einem nicht gefallen haben. LovelyBooks ist der Ort im Internet, an dem all das möglich ist - die Heimat für Buchliebhaber*innen und Lesebegeisterte. Schön, dass du hier bist!

Mehr Infos

Hol dir mehr von LovelyBooks