“I just wanna be your dog” sang David Bowie bei den Stooges schon Ende der 60er. Das größte Glück des Liebenden ist es, ein Hund zu sein. Oder etwa nicht? In ihrer Novelle Ich will kein Hund sein stellt die niederländische Schriftstellerin Alma Mathijsen ein literarisches Gedankenexperiment an, das der hündischen Sehnsucht im Menschen nachspürt. Dafür lässt sie ihre Protagonistin, die nur unter dem Kosenamen Flauf auftritt, ganz wörtlich zum Hund werden. Denn was soll Mensch auch tun, wenn der entsetzliche Liebeskummer vermeintlich nur noch zwei Optionen erkennen lässt: Suizid oder Tierwerdung? Es ist die kuriose und dabei furchtbar ehrliche Geschichte einer versuchten Selbstrettung, ein modernes Märchen von der verzweifelten Suche nach dem bisschen Glück, von dem man sich so gerne einredet, dass es reichen würde.
Anders, als der Klappentext es verspricht, ist Ich will kein Hund sein zwar eine tragische Geschichte, aber selten eine komische. Von Anfang an ist die Erzählperspektive an die Protagonistin gebunden, die abwechselnd in der trostlosen Gegenwart oder der schmerzhaften Vergangenheit versinkt. Erzählerisch wird keine Distanz zur Figur aufgebaut und damit auch jede (Selbst-)Ironie unterbunden. Der Fluchtpunkt aller Reflexionen ist die verlorene Liebe, die mit viel Ernst und Pathos beschworen wird; die unfreiwillige Komik des absurden Leidens bleibt von der Erzählerin dagegen unerkannt. Auch andere Figuren brechen diese Monoperspektive nicht auf: Abgesehen von den Getrennten gibt es nur die junge und unerfahrene Nico, die Flaufs Gefühle nicht nachempfinden kann, aber auch keine Gegenperspektive zu bieten hat, und Gerard, der Flauf in ihrer Leidenshaltung unterstützt und einen klassisch-romantischen Tod an gebrochenem Herzen stirbt.
Viele Gelegenheiten, dem Tragischen das Komische entgegenzuhalten, bleiben daher ungenutzt. Auf einer inszenierten Beerdigung etwa tragen Flauf und eine Freundin ihre verlorene Liebe symbolisch zu Grabe. Dass es sich dabei um das Verscharren benutzter Taschentücher in einem öffentlichen Park handelt, hätte nur eine gewisse erzählerische Distanz zu den Figuren in seiner ganzen Situationskomik erfassen können. Doch die Erzählinstanz bleibt dem Todesernst der Figuren verhaftet und ergeht sich in detaillierten Beschreibungen der dramatischen Kostüme, die beide Frauen sich eigens für das Ritual und dessen obligatorische Inszenierung auf Social Media angefertigt haben.
Streiten kann man sich auch über die Sprache, die in Mathijsens Novelle meiner Meinung nach erfolglos an den inhaltlichen Ideenreichtum anzuknüpfen versucht. Wiederholt werden ganze Kapitel in einem einzelnen atemlosen Satz abgehandelt, was ohne Frage innovativ ist, aber auch an die notorischen Sprachexperimente aus der Poetry-Slam-Kunst erinnert. Selbiges gilt für den längst abgenutzten Verzicht auf Majuskeln, der in Zeiten von What’s-App-Nachrichten und Onlinekommentaren wohl niemanden mehr ernsthaft alarmiert. Dass der Exfreund nahezu permanent als impliziter Leser adressiert wird, trägt schließlich dazu bei, den theatralischen und stellenweise offen anklagenden Ton der Erzählung zu besiegeln.
Durch viele Kapitel muss man sich so regelrecht hindurchkämpfen, ehe das starke Ende mit dem ersehnten Bruch aller Heilserwartung aufwartet. Letztlich steht die Protagonistin vor verschlossenen Türen, abhängig, zutiefst verwirrt und wieder einmal allein mit der Ohnmacht ihrer Sehnsucht. In der totalen Unterwerfung unter die eigene Bedürftigkeit hat Flauf ihre menschlichen Züge verloren und damit letztlich sogar die Fähigkeit, ihren Geliebten zu verstehen. Ein ernüchterndes Bild, das die Novelle wie eine späte Antwort auf Die Geschichte der O. und alle anderen Erzählungen von der glücklichen Selbstaufgabe wirken lässt. Die Vorstellung, nicht verantwortlich sein zu müssen für Bedürfnisse, Gefühle und das eigene Leben, besitzt unfraglich einen großen Reiz für uns alle, die wir „zur Freiheit verdammt“ sind. Die größte Stärke von Ich will kein Hund sein liegt darin, uns zumindest diese Form von Sehnsucht auszutreiben.