Cover des Buches Mord am Waterberg (ISBN: 9783939990406)
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Rezension zu Mord am Waterberg von Almut Hielscher

Das dunkle Erbe der Kolonialzeit

von SalanderLisbeth vor 6 Jahren

Kurzmeinung: Das ambitionierte Debüt hat mich leider in allen Belangen sehr enttäuscht, besonders da es mehr eine Reportage als ein Krimi ist.

Rezension

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SalanderLisbethvor 6 Jahren

Da steht es Schwarz auf Weiß: Raubmord. Anna ist tot. Katrin beginnt zu begreifen. Vor zwei Tagen hatte die Nachricht etwas Unwirkliches. Sie kam von so weit her. Anna sollte tot sein? Mitten in der Nacht hatte ihr der Landesdirektor des Deutschen Entwicklungsdienstes das Unfassbare mitgeteilt und darum gebeten, dass ein Familienmitglied nach Namibia komme. (Auszug Seite 8)

Tod einer Entwicklungshelferin

Es ist ein trauriger Grund, den Katrin Sattler, eine Buchhändlerin aus Stuttgart, nach Namibia führt. Sie will den Leichnam ihrer jüngeren Schwester nach Hause holen. Anna Sattler, die als Entwicklungshelferin am Fuße des Waterbergs gearbeitet hatte, war in ihrem Haus erschlagen aufgefunden worden. Der des Raubmordes verdächtige 17-jährige Jugendliche bestreitet die Tat.

Auch in Katrin wächst die Überzeugung, dass die Polizei den Falschen verhaftet hat und sie fühlt sich verpflichtet, den wahren Täter zu finden. Sie übernachtet im Haus ihrer Schwester und findet dort Briefe der längst verstorbenen Großtante vor, die vor mehr als 80 Jahren nach Namibia auswanderte und die von ihrem Leben auf einer Farm erzählen. Auch Annas Tagebuch gibt Katrin einige Aufschlüsse über ihr Leben.


Das dunkle Erbe der Kolonialgeschichte

Anna hatte ihre Arbeit in einem Kulturzentrum mit großem Enthusiasmus geführt und sich leidenschaftlich für eine Verbesserung der Beziehungen zwischen Hereros und Deutschen eingesetzt. Die Hereros hatten unter der deutschen Kolonialherrschaft großes Leid erfahren und auch Generationen später sind die Schrecken des Völkermordes und die Ausbeutung durch die Kolonialherren noch fest in den Köpfen der Einheimischen fixiert.

Annas Engagement stieß nicht nur auf Begeisterung bei der Dorfgemeinschaft, zum Beispiel hatte sie sich bemüht, Onkel Jonas das Handwerk zu legen, einem alten Weißen, der Geld zu Wucherzinsen an die verarmte Bevölkerung verleiht. Ein Motiv hätte auch Annas Chef, der Manager des Zentrums, den sie der Geldunterschlagung bezichtigt hatte. Aber der deutsche Entwicklungsdienst in Windhoek will von Korruption nichts wissen oder unternehmen. Weiter findet Katrin heraus, dass ihre Schwester ein Verhältnis mit einem verheirateten Mann hatte und dass dessen eifersüchtige Ehefrau Voodoo-Zauber ausübte.

Bei ihren Nachforschungen schlägt Katrin Misstrauen und offene Feindseligkeiten entgegen und nach einigen Drohanrufen und einem Einbruch in ihrem Haus muss sie erkennen, dass sie sich zunehmend in Gefahr begibt. Gleichzeitig wird sie durch die Briefe der Tante mit der Vergangenheit ihrer Familie konfrontiert.


Ambitioniertes Debüt

Obwohl ich die Thematik sehr interessant finde, habe ich leider keinen richtigen Bezug zu der Geschichte gefunden. Dass die beiden Autorinnen versuchen, in ihrem Debüt anhand einer Kriminalgeschichte auf die Zustände in Namibia und die Nachwirkungen seiner Geschichte hinzuweisen, ist aller ehrenwert und sehr ambitioniert. Leider ist dies nicht wirklich gelungen und konnte mich gar nicht erreichen. Gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht. In schlichter Sprache werden Dialoge geführt, die ich als künstlich empfunden habe und die nur der Information des Lesers sorgen sollten. Meinem Empfinden nach wollen die Autorinnen viel zu viele Themen unterbringen, deshalb wird alles nur oberflächlich gestreift und tiefe Einblicke können so gar nicht entstehen. Die Charakterisierungen wirken holzschnittartig und besonders zu Katrin fand ich keinen Zugang oder konnte mich nicht in sie hineinversetzen. Dabei sollen Rückschauen in die Kindheit einen Blick in die Psyche ermöglichen. Katrin war die größere, vernünftige Schwester, die sich immer um die jüngere, abenteuerliche Schwester gekümmert hatte. Da sie Anna in Afrika nie besucht hatte und kaum etwas von ihrem Leben wusste, fühlt sie sich in dieser von Schuldgefühlen getragenen Situation praktisch verpflichtet, da zu bleiben.


Die ganze Story krankt an den Ungereimtheiten im Plot. Wenig inspirierend, dass Katrin fast sämtliche wichtige Erkenntnisse aus dem Tagebuch zieht. Als dieses Tagebuch bei dem Einbruch gestohlen wird, findet sie ein weiteres im Papiermüll.

Am wenigsten hat mich das Setting überzeugt. Einzelne Schauplätze werden beschrieben, die sich aber irgendwie nicht zu einem stimmigen Ganzen vereinen. Zu keinem Zeitpunkt hatte ich eine Vorstellung, wie es da aussieht. Es entstanden keine Bilder vor der im Klappentext beschriebenen atemberaubenden Schönheit vor meinen Augen. Auch nicht von den Hereros, die versuchen Tradition und Moderne in Einklang zu bringen. Für mich ist Mord am „Waterberg“ mehr eine Reportage über die Auswirkungen der gewaltvollen deutsch-namibischen Kolonialvergangenheit als eine Kriminalgeschichte. Dafür sind die etwas mehr als 200 Seiten vielleicht auch zu knapp, vor allen Dingen, wenn zum Schluss noch eine Liebesgeschichte für Katrin aufgedrückt wird.

Im Anschluss findet man eine geschichtliche Dokumentation der Ereignisse von Deutsch-Südwest-Afrika bis zur Republik Namibia in Form einer Zeitlinie von 1842 bis 2017.


Zwei Autorinnen

Almut Hielscher wurde 1943 geboren und arbeitete unter anderem 8 Jahre beim STERN sowie 15 Jahre beim SPIEGEL. Sie kann auf einige persönliche Erfahrungen in Südafrika zurückblicken, denn sie war mehrere Jahre als Korrespondentin für Afrika mit Sitz in Johannesburg tätig und hat auch für den Deutschen Entwicklungsdienst (DED) in Namibia gearbeitet.

Uta König wurde 1947 geboren und absolvierte Studium und Journalisten-Ausbildung in Paris. Die langjährige STERN-Reporterin wechselte 1995 zum Fernsehen und hat beim NDR seitdem mehr als 50 Reportagen und Dokumentarfilme gemacht. 1998 bekam sie den Grimme-Preis für die beste Dokumentation. Beide Autorinnen leben in München.



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