Die Sitten und Gebräuche sind hart, aber herzlich, eben wie in einer richtig netten Familie, in der es Regeln gibt, die alle ausnahmslos zu befolgen haben. Dazu kommt eine gnadenlose Hierarchie. Wer sich daneben benimmt, kriegt die Birne weggeblasen. Und wenn er es aus Versehen noch vorher mit der Schwester oder der Frau eines anderen Familienmitgliedes getrieben hat, dann wird er kurzerhand entmannt. Da muss doch einfach die Moral innerhalb der Familie steigen.
In diesem seltsamen Buch beschreibt uns ein ehemaliger US-Mafiosi die angeblichen Management-Geheimnisse der "ehrenwerten Gesellschaft". Doch Mafia-Strukturen beruhen auf einem konsequenten Gewaltprinzip. Ihre Ziele und Aktionen sind kriminell. Die Mafia erpresst, stiehlt, handelt mit Drogen und mordet. Sie unterwandert die Volkswirtschaften ganzer Staaten und schafft eine Atmosphäre der Korruption und Gesetzlosigkeit. Was soll man davon lernen?
Nun übten geheimnisvolle Gesellschaften, Brutalität und auf Gnadenlosigkeit aufgebaute kriminelle Strukturen schon immer eine merkwürdige Faszination auf bestimmte Menschen aus. Damit spielt Louis Ferrante. Für seine Schwerverbrechen saß er lange im Knast und wurde dort angeblich geläutert, fing an, sich das Lesen und Schreiben beizubringen, studierte viele Bücher und ist nun selbst der Verfasser von zwei Werken über sich und die Mafia.
Nach seinen eigenen Worten hat er sich vom tatsächlichen Verbrechen losgesagt. Doch sein Buch spricht wenigstens für mich immer noch die Mafia-Sprache. Sein Inhalt ist eine ausgewalzte Ode der Bewunderung für diese angeblich "ehrenwerte Gesellschaft". Und das macht dieses Buch dann auf eine ganz andere Weise interessant, als es der Autor in seiner merkwürdigen Arroganz wohl eigentlich wollte. Es offenbart nicht nur, wie es in dieser netten Vereinigung so zugeht, sondern vor allem, wie man dort denkt. Das ist aber auch das Einzige, was man aus diesem Buch wirklich lernen kann.
Gleich zu Beginn seines Textes erklärt uns sein Autor, dass die Mafia eigentlich ziemlich kriminell wäre, aber außerhalb dieser Strukturen ginge es schließlich auch nicht wesentlich anders zu. Betrogen und beklaut wird man überall, wenn man es sich so recht überlegt. In der Mafia dagegen herrschen dafür jedoch klare Regeln, während außerhalb alles mit Heuchelei bedeckt würde.
Der Inhalt dieses Buches lässt sich nur schwer beschreiben. Es enthält 88 Lektionen, unterteilt in solche für Mitarbeiter, mittleres Management und Chefs. Das Meiste sind Plattheiten garniert mit Geschichten aus dem Mafia-Leben. Der Mafiosi macht sich keine Notizen, er sollte Geduld haben, über Insider-Informationen verfügen, Geheimnisse schützen, seinen Standpunkt klar äußern, seine Körpersprache kultivieren, Netzwerke besitzen, anderen Leuten Gefälligkeiten anbieten, um daraus später einen Nutzen ziehen zu können, sich nur auf sich selbst verlassen, sich nicht in die Karten gucken lassen, die Befehlskette respektieren, pünktlich zahlen, aufpassen, was er so alles am Tag erzählt und noch vieles mehr.
Neben der in diesem Buch zur Schau gestellten Geisteshaltung überrascht vor allem die Arroganz, die sein Autor an den Tag legt. Lektion 16 beispielsweise vergleicht den Gründungsvater der amerikanischen Mafia mit George Washington und stellt beide letztlich auf eine Stufe. Diese Lektion kommt dann zu dem Schluss: "Der Gründungsvater Amerikas und der Gründungsvater der amerikanischen Mafia würden Ihnen beide sagen, dass Sie selbst für Ihr Glück sorgen müssen." Demut und wahre Einsicht nach einer Läuterung hören sich irgendwie anders an.
Fazit.
Ob man tatsächlich aus diesem Buch etwas für das Management von Unternehmen lernen kann, ist eher zweifelhaft, denn die Mafia ist eine Familien-Struktur, die auf Gewalt basiert. Wenn man von all dem abstrahiert, bleiben zwar einige immer nützliche Eigenschaften, doch sie werden stets im Mafia-Kontext erläutert, in dem sich wohl nur die wenigsten Leser aufhalten. Was mich an diesem Buch interessiert hat, war vielmehr die Mafia-Denkweise, die hier - ob nun gewollt oder nicht - offenbart wird. Für diese Information gibt es die Sterne.
"Drei können ein Geheimnis wahren, wenn zwei tot sind." (Lektion 7)