»Mit fünf Jahren befindet sich der Mensch auf der Höhe seiner Reife, danach beginnt er zu faulen. Ich, Alper Kamu, wurde vor einigen Monaten fünf. Während mein Geburtstag näher rückte, stand ich die meiste Zeit am Fenster, um die Menschen draußen zu beobachten. Ihr Leben verbrachten sie damit, zu beschleunigen, zu verlangsamen, alle möglichen Töne von sich zu geben und durch die Gegend zu gucken. Es machte mich krank, daran zu denken, dass ich eines Tages so werden würde wie sie. Leider gab es da keinen Ausweg. Die Zeit war grausam und ich alterte schnell.«
Alper Kamu mag die Erwachsenen nicht besonders, niemals möchte er so werden wie sie. Außerdem glaubt er fest daran, dass mit Eintritt in die Schule sein Leben zu Ende gehen wird. Viel lieber möchte der verblüffend kluge und schlagfertige Fünfjährige seine Zeit weiter mit Fußballspielen, Lesen und Streifzügen durch sein Istanbuler Viertel verbringen. Eines Tages entdeckt er die Leiche des pensionierten Polizeidirektors Hicabi Bey und übernimmt kurzerhand die Ermittlungen. Humorvoll und ironisch erzählt Alper Kamu dabei von seiner Familie und seinem Freundeskreis, vom Leben in seinem Viertel auf der asiatischen Seite Istanbuls. Mit tiefgründigem Witz und schwarzem Humor analysiert der Neunmalkluge die Welt der Erwachsenen, das Universum der Philosophie und löst nebenbei auch noch einen Mordfall.

Söhne und siechende Seelen
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Toller Krimi
Gwhynwhyfar
18. February 2014 um 15:46Der Fünfjährige frühreife Alper (er liest Nietzsche gern zum Frühstück) versucht einen Mord aufzuklären, den man der Einfachheit einem geistig Behinderten anhängen will: „Die Verantwortung für ein Verbrechen einem Verrückten aufzubürden machte es der Staatsgewalt nicht nur leicht, sondern passte ihr zugleich auch ins Konzept. „Der Mörder war sowieso ein Irrer“ – den Fall mit diesem Satz abzuschließen kam ihnen sehr gelegen. Damit wollten sie andeuten, dass das System so perfekt war, dass man an dem Verstand eines jeden, der gegen die Gesetze dieses Systems verstieß, zweifeln musste. Und genau dieser Denkansatz brachte mich auf die Palme. Wer den Mord begangen hatte war mir eigentlich egal.“ Vom Reifegrad steht er in Augenhöhe einem intelligenten und erfahrenen Erwachsenen. Man nimmt das Kind aber nicht so ernst, ein Vorteil, wenn man herumschnüffeln möchte. Nebenbei versucht Alper auch die Versetzung seiner Eltern in eine andere Region zu verhindern. Alper schreit: "Erdogan, du Doppel-Arsch!" Genial, dass der Vorgesetzte des Vaters ein Namensvetter des türkischen Ministerpräsidenten ist. Es wird die vorherrschende Meinung der Bevölkerung dazu beschrieben, dass eine Versetzung ins tiefste Anatolien das Ende des Lebens bedeute. Man werde lebendig begraben, denn dort lebten ja nur rückständige Kurden. Die Welt betrachtet Alper auf seine kindlich ehrliche Weise und stößt mit messerscharfem Verstand auf die Zustände in der Türkei. Auf einen Krimi darf man die Geschichte nicht reduzieren, denn arabischer Humor und Weisheit durchziehen die Geschichte, die nicht als üblicher Krimi zu deuten ist. Durch die literarischen, wie philosophischen Anspielungen, gesättigt mit schwarzem Humor, ist das Buch trotz einiger Längen zwischendurch ein Leseerlebnis. Das Kind plappert, schimpft, beleidigt wie ihm der Schnabel gewachsen, ein Erwachsener würde sich damit in gefährliche Gewässer begeben, ein gelungener Hinweis des Autors auf die Gefährlichkeit des Wortes in der Türkei.