Cover des Buches Töte mich (ISBN: 9783257069891)
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Rezension zu Töte mich von Amélie Nothomb

Wer nichts empfindet, kann sich für nichts begeistern...

von Queenelyza vor 7 Jahren

Rezension

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Queenelyzavor 7 Jahren

Beim Grafen Neville und seiner Familie steht es nicht gerade zum Besten. Zwar ist seine Ehe glücklich verlaufen und die ältesten beiden Sprösslinge wohlgeraten, so gut sie es nur sein können. Doch die Jüngste, die 17-jährige Sérieuse (allein schon dieser Name, die „Ernste“!) macht ihm Kummer. Da sie nichts empfindet, schleicht sie sich eines Nachts in den Wald, wo sie von einer Wahrsagerin vor dem drohenden Kältetod bewahrt wird. Auch bei dieser Aktion blieb der Teenager im wahrsten Sinne des Wortes kühl – empfand weder Angst noch Schrecken noch sonst irgendetwas, nur die Kälte an sich. Keinerlei Emotion. Ihr Vater, der sie von der Wahrsagerin abholt, wird von dieser nur kurz am Arm berührt, und schon ergeben sich ihr Visionen, die sie dem Grafen Neville natürlich auch postwendend mitteilt. Sie hat gespürt, dass er demnächst einen Menschen töten wird. Sérieuse sieht darin die Lösung für ihre Gefühllosigkeit – wem alles egal ist, für den stellt auch der Tod keinen Schrecken dar. Sie wäre also das perfekte Opfer – und die Prophezeiung ohne größere Schwierigkeiten erfüllt…

Das ist aber nicht das einzige Problem. Die Nevilles müssen nach einem letzten großen Fest das von ihnen seit Jahrzehnten bewohnte Schloss verlassen, da die Finanzen nicht mehr ausreichen, das Anwesen zu unterhalten. Beide Probleme verursachen dem Grafen schlaflose Nächte, und es scheint keine Lösung in Sicht…

Amélie Nothomb ist bekannt für ihre skurrilen, ja grotesken Romanideen, die immer auch unkonventionell umgesetzt werden und in ihrer Kompromisslosigkeit auch bestens unterhalten und funktionieren. Bis zum Schluss weiß man hier genauso wenig wie der Graf selbst, wie sich dieses Dilemma auflösen wird, und wenn man dann die letzte Seite des recht dünnen Büchleins (knappe 100 Seiten) erreicht hat, hat man eine Lösung gefunden, die – wie immer bei Nothomb – unglaublich unwahrscheinlich ist, aber so souverän und eindeutig daherkommt, dass der Leser der Meinung ist, genau so und nicht anders muss das perfekte Ende der Geschichte aussehen. Das kann sie perfekt, ihre verwickelten, seltsamen Geschichten mit gelungenen Pointen aufzulösen.

Was mir dieses Mal nicht so gelungen erscheint, ist die Tatsache, dass die Tigerin ihren Biss etwas verloren zu haben scheint. Die sonst so bissigen, scharfzüngigen Dialoge sind oftmals mild, zwar gut konstruiert, aber dann doch ab und an etwas zu dröge, wenn man die früheren Werke der Schriftstellerin als Maßstab nimmt. Ist einem früher des Öfteren der Atem gestockt aufgrund der perfiden Gedanken und Wendungen, liest sich „Töte mich“ trotz des heftigen Titels ein wenig wie ein müdes, zahnloses Märchen. Eine nette Parabel auf die Welt der Emotionen, aber ein Roman, der sich einfach so wegkonsumiert, anstatt einen nachdenklich zu machen. Vielleicht liegt das auch wirklich mit an der Kürze des Werkes, aber es hilft alles nichts, es ist für mich als Fan der Autorin etwas zu wenig, um das Buch zu meinen Favoriten zu zählen. So wird der Titel dieser Rezension, im Übrigen eine Aussage der Tochter Sérieuse, leider für mich auch ein wenig zum Motto dieses Romans. Gelesen, zur Kenntnis genommen, weggelegt. Beim nächsten Mal darf es wieder mehr Wucht und Rumms sein.

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