Rezension zu "Die Tote von Harvard" von Amanda Cross
Eine Frau soll den neuen Lehrstuhl für Anglistik der (man achte auf den Artikel, denn darauf wird dieser Krimi aufgebaut sein … abgesehen davon wäre DIE Harvard-University in diesem Kontext grammatikalisch falsch, aber um Grammatik geht es nicht in diesem Krimi) Harvard University bekommen. Die Wogen der Entrüstung, eigentlich der Angst, schlagen auf postalischem Kurzweg sehr hoch. Die alteingesessenen Herren der Anglistikgarde zittern wie Espenlaub. Eine Frau! Womöglich noch im Alter vor der Menopause, oh je!
Ein anonymer Gönner spendet eine Million für diesen Lehrstuhl. Verknüpft mit der Bedingung, dass eine Frau die Stelle bekommt. Geld regiert die Welt, und da können Altherrenwitze bestenfalls als Füllmaterial in privater Runde maximal zur Erheiterung eben dieser beitragen – mehr aber auch nicht.
Janet Mandelbaum ist die Auserwählte. Die absolut richtige Wahl. Sie kann was. Selbst die Kritiker müssen das zugeben. Emotional ist sie erstmal nicht einzuordnen. Sehr zum Leidwesen aller Spötter und derer, die das Zweifelhorn nur allzu gern blasen, sieht sie darüber hinaus auch noch verdammt gut aus. Oh Mann, nichts zu meckern! Außer, dass Janet Mandelbaum eine Frau ist – aber das reicht heutzutage halt nicht mehr, um jemanden den beruflich Garaus zu machen. Da müssen schon härtere Geschütze aufgefahren werden. Und sie werden es. Denn nach einer Party landet die Neue in der Badewanne. Betrunken, was ja noch halbwegs entschuldbar wäre. Doch darüber hinaus ist auch noch nicht allein! Denn im Zimmer befindet sich eine weitere Frau. Eine Schwester. Ein Skandal in den Achtzigern. Und jetzt kommt der Hammer für alle, die sich niemals eine Frau an irgendeiner Spitze vorstellen können: Es ermittelt Kate Fansler, eine Frau! Und Freundin von Janet. Jemand will Janet Mandelbaum auf Teufel-komm-raus in Misskredit bringen. Die will sich das nicht bieten lassen. Also braucht sie Hilfe, Kate Fanslers Hilfe.
Nun könnte man meinen, dass hier bald weitaus Schlimmeres passiert, denn das Buch heißt ja schließlich „Die Tote von Harvard“. So weit so gut. Doch was Amanda Cross an literarischen Geschützen hier auffährt, ist eine Armada an Wortschöpfungen und Gedankenbildern, die jeden Bücherwühltisch in die Knie zwingen. Auf Spatzen wird sie damit sicher nicht zielen, und schon gar nicht schießen. Vielmehr hat sie es auf Vorurteile und „altbewährte“ Strukturen abgesehen. Und die werden gnadenlos gejagt. Die Jägerin Kate Fansler ist die Idealbesetzung, wenn es darum geht mit der Kraft des Wissens und den Stilmitteln der Sprache dem Gegner auf den Boden der Wahrheit zu zwingen. Brillant, wie es eben nur eine Frau sein kann. Ohne dabei die Fahne des Feminismus wie einen Bauchladen der Trotzigkeit vor sich her zu tragen.