Cover des Buches Ein Gentleman in Moskau (ISBN: 9783471351468)
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Rezension zu Ein Gentleman in Moskau von Amor Towles

Wunderbar!

von takabayashi vor 6 Jahren

Kurzmeinung: Ein Graf unter Hausarrest im Hotel Metropol in Moskau - ein hinreißend sympathischer Protagonist!

Rezension

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takabayashivor 6 Jahren
Graf Alexander Iljitsch Rostov, der Verfasser des Gedichts "Wo ist es jetzt", wäre wohl als Angehöriger der adligen Klasse standrechtlich erschossen worden, wenn er nicht als Urheber jenes Gedichts von einigen hohen Funktionären als Held der vorrevolutionären Zeit geschätzt würde, so dass das Notstandskomitee des Volkskommissariats ihn stattdessen zu lebenslangem Hausarrest im Hotel Metropol verurteilt. Allerdings muss er seine bisher bewohnte Suite verlassen, in ein winziges Dachkämmerchen umsiedeln und muss sich aus Platzmangel von diversen Besitztümern verabschieden. Gleichwohl nimmt dieser russische Gentleman die Veränderungen seiner Situation gelassen hin und feiert sein Überleben mit einigen Hotelangestellten und seinen letzten zwei Flaschen Cognac in seinem schäbigen Kämmerchen. Immerhin hat er einen Attachékoffer mit 52 Gläsern retten können.
Erst am nächsten Morgen wird ihm vollends bewusst, wie eingeschränkt sein Lebensraum in Zukunft sein wird.
»Mein Roman erzählt von Gefangenschaft und Widerstand, von Bildung, Höflichkeit und Integrität. Und von der Bestimmung, die jeder für sich finden muss.« beschreibt der Autor Amor Towles sein Werk.
Der Graf versteht es, ohne Murren sein Schicksal anzunehmen und mit einigem Erfindungsreichtum das beste daraus zu machen. Er darf das Hotel nicht mehr verlassen, doch die Welt kommt zu ihm. Späterhin beginnt er als Kellner im eleganten Hotelrestaurant zu arbeiten und bildet mit Emile dem Chefkoch und Andrei dem Maitre d'hotel ein einflussreiches Triumvirat, die Seele des Restaurants. Die beiden so wie auch Marina die Näherin werden ihm zu guten Freunden.
Zu Beginn des Romans 1922 ist Alexander Anfang 30, am Ende 1954 ist er Mitte 60.
Die Nutzung des Hotels und die Besucher des Restaurants spiegeln den Verlauf der jüngeren russischen Geschichte. Ein alter Freund sagt einmal zu Alexander, dass er wohl der glücklichste Mensch in ganz Russland sei. Und tatsächlich hat er trotz der Einschränkungen ein erfülltes Leben geführt. Zwei kleine Mädchen haben viel Raum in seinem Leben eingenommen: erst Nina, die mutterlos mit ihrem Vater im Hotel lebt und Alexander in die Welt hinter den Kulissen des Hotels einführt. Nina wächst heran und verschwindet wieder, kommt aber eines Tages zurück und vertraut ihm ihre Tochter an, die er dann wie seine eigene Tochter aufzieht.
Towles erzählt diese Geschichte mit leiser Ironie und feinem Humor ohne durchgehenden Handlungsfaden, in vielen liebevoll geschilderten Episoden voller Atmosphäre. Der Graf ist mir ans Herz gewachsen, eine rundum sympathische Figur, dessen Jahre im Hotel Metropol ich mit großem Lesevergnügen verfolgt habe. Am Ende des Romans erwartet den Leser noch ein Paukenschlag, der ihn beglückt und zufrieden zurücklässt - und mit leichtem Bedauern darüber, dass das Buch schon zu Ende ist. Für mich einer der schönsten Romane seit langem!
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