Rezension zu "Einfach artgerecht" von Anders Hallgren
Ich nahm "einfach artgerecht" von Anders Hallgren spontan aus der Bücherei mit, da mir der Untertitel des Buches "Ethik und Verhaltensforschung für ein glückliches Hundeleben" gefiel und ich mich auf ein Buch freute, das vielleicht mit der ein oder anderen neuen wissenschaftlichen Erkenntnis aufwartet.
Fachlich ist an dem Buch nichts zu meckern - Anders Hallgren ist ein kompetenter Hundepsychologe, der zweifellos über ein sehr großes Wissen über unsere Fellnasen verfügt.
Allerdings steht in dem Buch nicht wirklich etwas "Neues" - jeder informierte Hundehalter, der bereits das ein oder andere Hundebuch fachlich qualifizierter Hundeexperten gelesen hat (z.B. Patricia B. McConnell oder Suzanne Clothier), wird in "einfach artgerecht" nur bereits Bekanntes lesen.
Gut finde ich das Buch für absolute Neulinge auf dem Gebiet Hund, die sich mit Hunden noch nie wirklich auseinandergesetzt haben. Hier vermag das Buch sicherlich, Aufklärung zu leisten und mit Vorurteilen aufzuräumen.
Gut fand ich, dass Hallgren in seinem Buch aufzeigt, warum man seinen Hund nicht ständig bestrafen, korrigieren und unterdrücken soll. Er räumt mit dem leiter noch weit verbreiteten Gerücht auf, dass der Mensch in der Hund-Mensch-Beziehung der "Rudelführer" sein muss und sich diese Position am besten dadurch verschafft, dass er seinem Hund keinerlei Freiheiten lässt und hart und streng mit ihm umgeht. Ich würde mir wirklich wünschen, dass Anhänger des Hunde"flüsterers" Cesar Millan dieses Buch lesen und sich das darin Geschriebene zu Herzen nehmen.
Für mich war dies eigentlich die Kernbotschaft von Hallgrens Buch - es geht ihm darum, aufzuzeigen, dass man Hunde auch sanft und positiv erziehen kann und dies sogar tun sollte, weil es der ethisch richtige Weg ist und man für den Hund so einer verlässigen und vertrauenswürdigen Bezugsperson wird, die ihn sicher durchs Leben führt und manchmal auch einfach begleitet.
Diese Botschaft ist zweifelsohne wichtig, da sie noch lange nicht in allen Köpfen angekommen ist - hat man sich aber schon etwas eingehender mit Hunden befasst, weiß man dies natürlich bereits. Hallgren wiederholt seine zentrale Botschaft mehrmals in dem Buch, was ich zwar verständlich finde angesichts all der Rudelführer- und Rangordnungsmythen, die unter Hundebesitzern und -trainern noch kursieren - wenn man dies alles aber nun schon weiß, dann ist das Buch durch die ständigen Wiederholungen fast schon ein wenig ermüdend und liefert wenig neuen Input.
Hallgren schneidet viele Themen an und zumeist kann ich ihm auch zustimmen, allerdings bleibt er dadurch, dass er relativ viele Themenkreise anspricht, auch eher an der Oberfläche. Themen wie "Hundebegegnungen", der Aufbau eines Alternativverhaltens oder effektives Belohnen im Training werden kurz angerissen, Hallgren bleibt in seinen Aussagen aber recht vage und gibt wenig praktische Tipps, die für Hundehalter vielleicht nützlich sein konnten.
Interessant fand ich am Ende des Buches Hallgrens Worte zum Thema Kastration. Er behauptet, dass bei vielen Rassen jene Rüden auf Ausstellungen gut abschneiden, denen die Richter eine "gute sexuelle Ausstrahlung" attestieren. Dies führe oft zu Problemen und dazu, dass Hundebesitzer sich häufig zur Kastration entscheiden, weil ihr Rüde sich "übermäßig männlich" verhalte. Hallgren meint, die Züchter seien hier in der Verantwortung.
Ich weiß nicht ganz, was ich von dieser Theorie halten soll, da ich davor auch noch nie von ihr gehört habe. Für mich mutet die Erklärung ein wenig merkwürdig und wenig schlüssig an. Ich denke eher, Hundebesitzer entscheiden sich zur Kastration, weil diese immer noch "üblich" ist und von vielen Tierärzten empfohlen wird, oder auch aus Bequemlichkeit heraus, um es "leichter" zu haben, denn das Gerücht, kastrierte Hunden seien leichter führbar und angenehmer, hält sich ja hartnäckig.
Im Grunde genommen ist "einfach artgerecht" ein ganz gutes Hundebuch, es vermittelt aber eher nur grundlegendes Wissen, wer praktische Ratschläge zu Umgang mit oder Erziehung seines Hundes möchte oder sich ein Buch erhofft, in dem Studienergebnisse sehr umfangreich präsentiert werden, wird mit diesem Buch nicht zufrieden sein.