Rezension zu "Immer heim" von André David Winter
Der Lebensabend lebenswerter gestalten
Buecherwurm1973vor 5 JahrenDer Jungbauer schiebt den alten Knecht Joseph, der seit Generationen auf dem Hof gearbeitet hat, ins Altersheim ab. Er sei „verwärchet“ (abgearbeitet). Logischerweise fühlt sich Joseph nicht wohl im Altersheim, so hat sich seinen Lebensabend nicht vorgestellt. Er fragt sich, ob seine Mitbewohner sich fühlen wie er – nämlich einfach weggeworfen. Er vermisst das Leben auf dem Bauernhof. Er beschliesst das Leben im Altersheim lebenswerter zu gestalten. Endlich hat er für das Geld, welches im verwitterten Elternhaus versteckt, eine Verwendung.
Der Leser wird ins letzte Jahrhundert entführt, als es noch Berufe wie Knecht, Schirmflicker etc. gab. Einige Heimbewohner haben einen Lebenslauf erhalten, der so authentisch erzählt wird, dass man das Gefühl ihnen schon irgendwo begegnet zu sein. Während Joseph seinen Plan in die Tat umsetzt, sinniert er seiner Vergangenheit nach, die mich manchmal schon traurig gestimmt hat. Obwohl kein aussergewöhnliches Schicksal erlitten hat.
Beim Lesen bin ich total in die Welt von Joseph abgetaucht. Es war, als ob ich dem Autor gegenüber sitze und er erzählt. André David Winter arbeitete nach einer abgebrochener Lehre auf Bauernhöfen in der Schweiz und Italien. Da konnte er sicherlich auf seinen eigenen Erfahrungsfundus zurückgreifen, wenn Josephs Leben als Knecht beschreibt. Er benutzt sehr viele schweizerdeutsche Ausdrücke, die ich teilweise vergessen habe, weil man sie heute kaum mehr benutzt. Sie werden in einem Glossar erklärt.
Mich hat dieser kleine Buchjuwel in eine längst vergessene Welt entführt.