Cover des Buches Kinderspiel, Glücksspiel, Kriegsspiel (ISBN: 9783423289801)
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Rezension zu Kinderspiel, Glücksspiel, Kriegsspiel von André Postert

Interessante Reise durch gesellschaftliche Symbole

von M.Lehmann-Pape vor 5 Jahren

Rezension

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M.Lehmann-Papevor 5 Jahren
Interessante Reise durch gesellschaftliche Symbole

Bisher war es eine Domäne von Neil McGregor, sich der Welkt, der Kultur, den gesellschaftlichen Facetten durch die Betrachtung von Objekten zu nähern, angeführt von dessen „Geschichte der Welt in 100 Objekten“.

In ähnlicher Weise, mit allerdings etwas anderer Zielrichtung, nähert sich nun André Postert über „Spiel-Objekte“ dem, was kulturell hinter diesen steht und wie sich gesellschaftliche Entwicklungen in diesen „Spiel-Sachen“ intensiv ausdrücken.

„Spielsachen zeugen von vergangenen Zeiten und sogar von fremden Kulturen“, seien es Holzeisenbahnen als technische Heranführung an den „Fortschritt“ und das „Verkehrswesen“ in der „großen Welt“, sei es, makaber, aber ebenso ausdrucksstark, jene „kleinste Guillotinen“, mit denen zu Zeiten der französischen Revolution „gespielt wurde“, zum „Köpfen von Püppchen“. Was bereits den roten Faden und den Kern des Buches mit aufzeigt, denn ob es Figuren von Napoleon dem I., Friedrich dem Großen (aus Zinn) oder eben erwähnte Hinrichtungsmaschine war, oft und oft bilden sich in den Spielzeugen die Linien der Historie selbst ab. Neben der zweiten, wichtigen Funktion von Spielen, der Erprobung der „Wirkmächtigkeit“ der eigenen Kräfte. Eine Form des Spiels, die dabei dann die Altersgrenzen durchbricht.

Dann stehen Rätsel, Bingo, Poker, Glücksspiel und anderes im Raum, um auf spielerische Art und Weise die Kräfte zu messen und die eigenen Emotionen (weitgehend) unverfänglich erproben zu können bis hin zum sportlichen Wettkampfspiel, das in jungen Jahren zum Spaß, in älteren Jahren dann aber mit ernst vollzogen wird. Bis dahin, dass am Ende keiner den „schwarzen Peter“ gezogen haben möchte.

Kleine Objekte, Spiel-Sachen einerseits, Spielregeln und sich durchziehende Spielfreude auch im erwachsenen Leben, selbst wenn man um die eigenen Spiele gar nicht so genau Bescheid wissen sollte, all das breitet Postert sprachlich flüssig zu lesen und fundiert in der Sachkenntnis vor den Augen des Lesers aus und sorgt für vielfache „Aha-Erlebnisse“. Vornehmlich für den betrachteten Zeitraum von 1900 bis 1945, in der das Spielzeug vielfache Veränderungen erfuhr und gerade vor, während und nach der Zeit des dritten Reiches seine politischen und gesellschaftlichen Bindungen eindrucksvoll vor Augen führt.

„Spiele des Krieges“ (Schneemann mit Pickelhaube, Steiff-Soldaten, die Kriegsgefangene abführen etc.), die schon im ersten Weltkrieg weit verbreitet waren und „Heldentum“ vermitteln sollten, Glücksspiele zu allen Zeiten, aber auch Spiel und Spielzeug im erotischen Bereich (mit vielfachen kreativen Ideen durch die Zeiten hindurch) bis hin zu einem intensiven Blick auf rassistische „Spiel-Tendenzen“ und die Wichtigkeit des „Spiels“ für die betroffenen des Holocaust setzen eine ernste Note und betonen die Symbolkraft der Spiele zu konkreten Zeiten in konkreten gesellschaftlichen Dispositionen.

Insgesamt eine informative, teils auch betroffen machende, immer aber auf den Punkt geschriebene Lektüre, die in interessanter Weise den Blick auf das „Spielen an sich“ nachhaltig verändert und vertieft.
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