"Die leuchtende Republik" des in Argentinien lebenden Spaniers Andrés Barba, in der deutschen Übersetzung von Susanne Lange bei Luchterhand erschienen, ist ein zutiefst seltsamer und ungewöhnlicher Roman.
Das Buch spielt in der fiktiven südamerikanischen Kleinstadt San Cristóbal, wo sich im Oktober 1994 plötzlich eine ganze Reihe von offenbar obdachlosen fremden Kindern einfindet. Die Kinder kommunizieren in einer rätselhaften Sprache miteinander und fallen zunächst durch Betteleien auf, was von den Bewohner:innen San Cristóbals mehr oder weniger akzeptiert wird. Ein Wendepunkt ist ein Überfall der Kinder auf einen örtlichen Supermarkt, in dessen Folge sogar zwei Menschen ums Leben kommen. Als nach und nach einige der einheimischen Kinder verschwinden, um sich den Fremden anzuschließen, eskaliert die Situation und führt schließlich - so viel verrät der Roman gleich zu Beginn - zu 32 toten Kindern.
Erzählt wird das Ganze aus der Perspektive des damaligen Leiters der Sozialbehörde und mit einem Abstand von 22 Jahren. Womit wir neben dem merkwürdigen Inhalt bei einer weiteren Sonderbarkeit wären. Denn dieser namenlose Ich-Erzähler berichtet über die damaligen Vorfälle einerseits fast protokollarisch und bezieht haarklein Datumsangaben über Krisensitzungen, TV-Dokus, später veröffentlichte Tagebücher etc. in höchst sachlicher Form mit ein - nur um andererseits immer wieder emotional aus dieser Form auszubrechen und zutiefst philosophische Fragen zu stellen. Einen emotionalen Zugang findet man zu ihm jedoch nicht, soll man wahrscheinlich auch gar nicht. Und dennoch wird man wie er immer wieder überwältigt - von der Gewalt der Kinder, aber auch von deren Kreativität, die auch bei der Namensfindung des Romans eine immense Rolle spielt, ohne darüber zu viel verraten zu wollen.
Wahrscheinlich gibt es zahlreiche Interpretationansätze für die Geschichte. Ich persönlich habe es einerseits als eine Art Parabel in Romanform begriffen, die sich mit der Angst vor dem Fremden an sich beschäftigt. Die fremden Kinder gleichen denen der Einheimischen in keinster Weise. Sie werden als auffallend schmutzig beschrieben, andererseits strahlen sie etwas ungemein Würdehaftes aus. Hinzu kommt die seltsame Sprache, die übrigens von einem einheimischen Mädchen entschlüsselt wird. Auf der anderen Seite stellt der Roman wichtige philosophische Fragen wie beispielsweise "Wie definieren wir eigentlich Zivilisation?" oder "Wie verhält sich eine zivilisierte Gesellschaft?" Denn die Erwachsenen in San Cristóbal verhalten sich alles andere als zivilisiert und verursachen mit ihrem schlimmen Verhalten letztlich den tragischen Ausgang dieser Geschichte.
Ich habe "Die leuchtende Republik" im eigentlichen Sinne zwar nicht gern, sondern mit einem gewissem Unbehagen gelesen, aber auch mit einer seltsamen Faszination - für die Kinder, aber auch für die Erzählweise. Insgesamt ist Andrés Barbas Roman keine leichte Kost, die trotz der knappen 220 Seiten eine Fülle an wichtigen Fragen behandelt.