Andre Castelot

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Cover des Buches Heinrich IV.. Sieg der Toleranz (ISBN: 9783925825040)
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Rezension zu "Heinrich IV.. Sieg der Toleranz" von Andre Castelot

Andreas_Oberender
Drei populärwissenschaftliche Biographien Heinrichs IV. von Frankreich. Teil 3: André Castelot

Heinrich IV. (1553-1610), der erste König aus dem Haus Bourbon, gehört zu den bekanntesten Monarchen der französischen Geschichte. Sein Leben und seine Herrschaft wurden schon im 19. Jahrhundert intensiv erforscht. Generationen französischer Historiker trugen dazu bei, dass sich im Geschichtsbewusstsein der Franzosen das romantische Bild vom fürsorglichen Volkskönig verfestigte, welches schon bald nach Heinrichs gewaltsamem Tod entstanden war. So oft die politischen Verhältnisse im 19. und 20. Jahrhundert auch wechselten, die Beliebtheit Heinrichs IV. blieb ungemindert. Die fach- und populärwissenschaftliche Literatur über Heinrich IV. ist so umfangreich, dass sie sich heute nur noch schwer überblicken lässt. Ein Meilenstein der Heinrich-Forschung war die gewichtige Biographie des Historikers Jean-Pierre Babelon von 1982. In der kommentierten Bibliographie seines Buches listete Babelon nicht weniger als 32 Biographien auf, die er für bedeutend und lesenswert hielt. Acht dieser Biographien stammen aus dem 19. Jahrhundert. Seit 1982 sind in Frankreich viele weitere Biographien Heinrichs IV. erschienen. Beachtung verdienen in erster Linie die Werke von Fachhistorikern wie Janine Garrisson (1984) und Jean-Marie Constant (2010). Zu den seriösen und anspruchsvollen Werken über Heinrich IV. zählt auch die Biographie des amerikanischen Historikers Vincent Pitts von 2009. Nur ein kleiner Bruchteil der älteren und neueren Heinrich-Literatur französischer oder angelsächsischer Provenienz ist deutschen Lesern zugänglich. Die letzte Übersetzung einer Biographie Heinrichs IV. ins Deutsche liegt mehr als 30 Jahre zurück. Werke aus der Feder deutscher Autoren können sich nicht mit den Arbeiten französischer Historiker messen. Die Heinrich-Biographie von Uwe Schultz (2010) ist ein Ärgernis wie alle Bücher dieses Autors, und der schmale Band von Klaus Malettke (2019) ermöglicht nur eine erste Annäherung an Heinrich IV. Deutsche Leser, die französisch- und englischsprachige Werke nicht im Original lesen können, haben keine andere Wahl, als auf einige ältere Werke in deutscher Übersetzung zurückzugreifen. Es handelt sich um die Biographien von Madeleine Saint-René Taillandier (1934/37), Maurice Andrieux (1955) und André Castelot (1986). Die Zeiten, als Bücher französischer Historiker und Sachbuchautoren in großer Zahl ins Deutsche übertragen wurden, sind lange vorbei. Übersetzungen aus dem Französischen haben heute Seltenheitswert, wie jeder weiß, der sich für die Geschichte unseres westlichen Nachbarlandes interessiert.

Der gebürtige Belgier André Castelot (1911-2004) war das, was man in Frankreich mit leicht herablassendem Unterton einen "Popularisierer" (vulgarisateur) nennt. Castelot ließ sich in der Zwischenkriegszeit in Frankreich nieder und etablierte sich nach dem Zweiten Weltkrieg rasch als erfolgreicher Autor von historischen Sachbüchern und Biographien. Er war ein Autodidakt ohne Hochschulbildung. Im Laufe seines langen Lebens veröffentlichte Castelot mehr als 65 Bücher. Ein solch staunenswerter Ausstoß ist nur möglich, wenn sich ein Autor darauf beschränkt, die einschlägige Sekundärliteratur auszuwerten und mit edierten Quellen (Memoiren, Briefe) zu arbeiten. Streng genommen war Castelot nicht mehr als ein routinierter Kompilator. Im Literaturverzeichnis von Castelots Heinrich-Biographie dominieren erwartungsgemäß Biographien des Königs und anderer Persönlichkeiten des 16. Jahrhunderts. Die wissenschaftliche Forschung der 1970er und 80er Jahre hat in dem Buch keinen Niederschlag gefunden. Von einem Autor, der im Jahrestakt Bücher auf den Markt wirft, darf man keine Qualitätsware erwarten. Aus heutiger Sicht ist die Übersetzung von Castelots Heinrich-Biographie ins Deutsche überflüssig. In den 1980er Jahren waren die Biographien von Saint-René Taillandier und Andrieux noch im Buchhandel erhältlich. Castelot bietet nichts, was man nicht schon in diesen beiden Büchern lesen konnte. Seine Biographie enthält keinen einzigen originellen, eigenständigen Gedanken. Die im historischen Präsens gehaltene Darstellung ist kurzweilig, temporeich und gespickt mit unzähligen Zitaten. Castelot zitiert unentwegt aus Briefen und Memoiren, er lässt die Figuren Dialoge aufführen, ohne sich um Quellennachweise zu bemühen. Besticht die Biographie von Saint-René Taillandier mit ihren literarischen Vorzügen, so wirkt Castelots Buch im Vergleich plapperhaft. Nur eines ist positiv zu bewerten: Der Verlag Casimir Katz hat die deutsche Ausgabe ungewohnt großzügig mit Abbildungen ausgestattet. 

Wie sind die drei Biographien im Vergleich miteinander zu bewerten? Alle drei Werke hätten davon profitiert, wenn die Verfasser mehr Informationen zum historischen Hintergrund eingestreut hätten. Wie funktionierte das Steuersystem der französischen Monarchie? Welche Aufgaben hatten die Parlamente? Vorwissen dieser Art, das für das Verständnis der Herrschaft Heinrichs IV. hilfreich ist, besitzen die allerwenigsten Leser, heute genauso wie zu früheren Zeiten. Obwohl die Biographie von Madeleine Saint-René Taillandier am ältesten ist, verdient sie es am ehesten, heute noch gelesen zu werden. Das Buch bestrickt den Leser mit einer historischen Erzählkunst, die es heute kaum noch gibt. Castelot käut nur wieder, was viele andere Autoren vor ihm über Heinrich IV. geschrieben haben. Die Biographie von Andrieux ist solide gearbeitet, besitzt aber keine Vorzüge, die ihre Lektüre heute noch rechtfertigen.

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