Cover des Buches Schattenträumer (ISBN: 9783352007989)
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Rezension zu Schattenträumer von Andrea Busfield

Rezension zu "Schattenträumer" von Andrea Busfield

von allegra vor 13 Jahren

Rezension

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allegravor 13 Jahren
Wir vergessen nicht Mit „Schattenträumer“ (englischer Titel: Aphrodite´s War) ist Andrea Busfield ein eindrucksvoller Roman über ein bedrückendes Kapitel der neueren Geschichte Europas gelungen. Der Roman schildert die Entwicklungen Zyperns zwischen 1955 und 2007 aus der Perspektive der griechischen Familie Economidou, die in einem Dorf nahe der Küstenstadt Keryneia im Norden der Insel beheimatet ist. Hauptprotagonist ist Loukis, der jüngste Sohn der Familie, der sich mit gerade mal 15 Jahren der Widerstandsgruppe EOKA anschließt, die die Befreiung Zyperns von der Kolonialmacht England erkämpft. Loukis tut dies weniger aus politischem Interesse, als um für seine angebetete Praxi „zum Mann“ zu werden. Diese Beliebigkeit zeigt angesichts der Gefahren und schrecklichen Erlebnisse, denen Loukis sich aussetzt, die Sinnlosigkeit des Widerstandskampfes, in den das Volk teilweise ohne wirkliche Überzeugung nur aufgrund ihrer Herkunft hineingezogen wird. Mit dem Fortschreiten der Geschichte eskaliert die zunehmend schlechte Beziehung zwischen der zyprischen Bevölkerung griechischer und türkischer Herkunft, sodass auf der Insel Kriegszustände herrschen zwischen der Armee aus Griechenland und aus der Türkei. Ergebnis dieser Kriegshandlungen ist die Teilung Zyperns in einen nördlichen türkischen und einen südlichen griechischen Teil. Die Bevölkerung muss auf beiden Seiten ihre Häuser verlassen und in „ihren“ Teil der Insel ziehen, wo sie mit Hilfe der Regierung angesiedelt werden. Somit spiegeln sich die Erfahrungen der griechischen Familien im Leid der türkischen Bevölkerung, was die Autorin am Ende des Buches ganz elegant durch einen Brief schildert, den ein alter türkischer Nachbar der Familie Economidou zurücklässt. Das Leben der Familie Economidou verläuft vor diesem historischen Hintergrund nicht immer geradlinig. Die Familie wird von traurigen Schicksalen heimgesucht. Dabei werden neben den geschichtlichen Entwicklungen auch gesellschaftspolitische Themen gestreift wie die Unmöglichkeit einer Ehescheidung, das Leben Homosexueller in der Gesellschaft aber auch der bedingungslose Zusammenhalt von Familie und Nachbarn über die Grenzen der Herkunft hinaus. Auf bewegende Art und Weise zeigt die Autorin die Sinnlosigkeit eines Bürgerkriegs auf, bei dem es nur Verlierer geben kann. Sie spart auch nicht mit Kritik an der internationalen Gemeinschaft und vor allem an der Haltung Englands, das aufgrund eines Garantievertrags und der Tatsache, dass noch immer englisches Militär auf Zypern stationiert war, in die Auseinandersetzung hätte eingreifen können. Stattdessen hat die europäische Gemeinschaft zugeschaut, wie ein Bruderkrieg ein Land entzweit und viele Todesopfer gekostet hat. Das Schicksal der Familie Economidou nimmt den Leser mit auf eine emotionale Achterbahn. Einerseits fühlt man mit den Familienmitgliedern, andererseits scheinen einzelne Personen relativ befremdlich zu handeln, so dass eine gewisse Distanz aufgebaut wird. Sprachlich ist der Roman relativ einfach gehalten. Er ist leicht lesbar und auf ansprechende Weise flüssig und anschaulich geschrieben. Neben sehr pittoresken Beschreibungen der wundervollen Landschaft Zyperns gelingt es der Autorin durch geschickten Einsatz von Perspektivwechsel, Wiederholungen, Zeitungsartikel bzw. gelesenem Brief die Spannung aufrecht zu erhalten und den Leser auf eine innere Reise zu schicken, die ihn aber ratlos und bedrückt zurücklässt. Anders an in den meisten Familiensagas löst sich in diesem Roman nicht alles in Wohlgefallen auf und die gegen Ende mehrfach wiederholten Worte: „Wir vergessen nicht“ schweben wie ein Trost aber auch wie eine Drohung über dem Roman. Ich würde das Buch einem geschichtlich interessierten Leser, der sich auch darüber freut, ein neues Land kennen zu lernen, sehr empfehlen. Der Roman fordert dem Leser einiges ab an Vorwissen oder Bereitschaft, die Geschichte Zyperns zu recherchieren, aber er ist auf jeden Fall ein Gewinn. Wer nur eine Liebesgeschichte mit Happy End vor mediterranem Hintergrund sucht, wird enttäuscht sein. Als Kritikpunkt möchte ich anführen, dass der politische Hintergrund nicht immer präzise genug erklärt worden ist und die Informationen im Buch oft nicht ausreichend sind für das Verständnis. Leider sind auch in der Karte hinten im Buch nicht alle für das Verständnis wichtigen Orte eingezeichnet. Auch bleiben leider einige Personen bis zum Schluss farblos und nicht wirklich mit Leben erfüllt zurück. Ich vergebe daher 3 von 5 Punkten.
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