Der 2019 in Rom verstorbene Dramaturg, Theaterregisseur und Autor Andrea Camilleri war ein Meister spannender Kompositionen. Die erfolgreiche und lange Reihe seiner sizilianischen Commissario Montalbano-Krimis zeugen von seiner enormen Fantasie und dieser Perfektion. Der 25. Fall aus dem Jahr 2015 - lässt man die zahlreichen Kurzkrimis dieses Kosmos‘ um die fiktive Küstenregion rund um Vigàta unbeachtet - war der erste Roman, den der Neunzigjährige nicht eigenhändig schrieb, sondern diktierte. Die Taschenbuchausgabe erschien bei Lübbe erst Anfang 2025.
Der Commissario, selbst in die Jahre gekommen, die seine philosophische Weltanschauung weiter intensivieren, hat es diesmal zunächst mit keinem Verbrechen zu tun. Vielmehr wird er gebeten, sich merkwürdige Filmaufnahmen eines Verstorbenen anzusehen und eine Antwort darauf zu finden. Die Aufnahmen zeigen immer wieder dieselbe Mauer, jedes Jahr am selben Tag. Da Montalbano von einer Filmcrew genervt ist, die ausgerechnet seine schöne Heimat als Filmkulisse nutzt, lenkt er sich mit diesem Rätsel gerne ab.
Ein wirkliches Verbrechen ergibt sich erst auf Seite 137, als eine Gruppe Bewaffneter in eine Schule eindringt und Schüler wie Lehrer einschüchtert. Handelt es sich um Terroristen oder steckt doch mehr dahinter, was im persönlichen Umfeld zu finden ist?
In beiden Fällen liegt das Motiv in der Frage begraben, was ein jeder bereit wäre zu tun, um etwas Geliebtes zu beschützen. Mehr sei an dieser Stelle nicht verraten.
Auch der 25. Fall knüpft an die liebgewonnenen Figuren, Essgewohnheiten mit lukullischen Genüssen und so manchen wehmütigen Fingerzeig auf vergangene Abenteuer an. Camilleri beweist, dass es nicht grausamer Tötungen und reißerischer Thriller-Elemente bedarf, um gut und auf nachdenkliche Weise zu unterhalten. Zugegeben, es gab schon spannendere Handlungen in der Serie, aber der Twist am Ende sorgt mal wieder für einen Aha-Effekt. Ein Fall, der ganz ohne klassische Morde auskommt und dennoch an den Tod denken lässt – gerade im Bewusstsein des längst verstorbenen Autors, der selbst im hohen Alter einen versöhnlichen Umgang mit dem Thema Sterblichkeit und Liebe anschlägt. Ein Segen vor und hinter dem Buchdeckel.