Cover des Buches Der Bahnwärter (ISBN: 9783499253812)
W
Rezension zu Der Bahnwärter von Andrea Camilleri

Eine große Schatzgrube von Geschichten und Eindrücken aus dem Sizilien der 1940 er Jahre

von WinfriedStanzick vor 9 Jahren

Rezension

W
WinfriedStanzickvor 9 Jahren



Man hat den Eindruck, dass Andrea Camilleri mit steigendem Alter immer produktiver wird. Die Zahl seiner Neuerscheinungen in den vergangenen Jahren ist kaum zu überblicken und dennoch leidet die literarische Qualität auf keiner einzigen Seite.

Der hier vorliegende bei Kindler verlegte kleine Roman mit dem Titel „Der Bahnwärter“ wurde in Italien schon 2008 veröffentlicht und spielt an der Südwestküste Siziliens, die der Leser aus den Montalbano-Romanen schon kennt in den Jahren ab etwa 1940. Der Faschismus hat Italien bis das letzte Dorf fest im Griff. Und doch gibt es Widerstand, der sich pfiffig und klug, witzig und manchmal derb immer wieder seinen Weg bahnt.

Protagonist des kleinen Romans ist der Bahnwärter Nino, der an einer kleinen Schmalspurstrecke entlang der Küste seinen Dienst versieht. Da nur wenige Züge pro Tag vorbeikommen, hat er viel freie Zeit und macht zusammen mit einem Freund in der nahegelegenen Stadt bei einem Barbier Musik.

Nino hat eine Frau geheiratet, und beide sind glücklich, als Minica ein Kind erwartet. Aber dann passiert etwas, was der aufmerksame Leser schon hat kommen sehen. Während der Abwesenheit Ninos haben Männer immer wieder bei Minica geklopft, doch sie hat niemand eingelassen. Eines Tages aber verschafft sich ein Kollege Ninos unter einem Vorwand Einlass bei Minica, vergewaltigt sie brutal und prügelt sie fast zu Tode.

Im Krankenhaus kann ihr Leben gerettet werden, aber sie verliert ihr Kind. Und auch ihren Verstand, wie Nino in den nächsten Wochen und Monaten feststellen muss. Irgendwann stellt sie einen Eimer in den Garten und benetzt mit dem Wasser ihre Füße. Auf Ninos erstaunte Frage, warum sie ihre Füße nicht gleich in den Eimer stelle, antwortet sie: „Wie sollen mir da Wurzeln wachsen?“

Sie will ein Baum werden und Früchte bringen, eine in ihrem wirren Geist verschobene Projektion ihres Kinderwunsches. Nino beschließt ihr zu helfen, und baut ihr aus Holzpfählen ein Gerüst, in das sie sich beim „Wachsen“ stützen kann.

Gleichzeitig müssen er sich und seine Frau vor den immer heftiger werdenden Tieffliegerangriffen der Alliierten schützen, und er gerät zusammen mit seinem Freund unter politischen Verdacht, weil sie bei ihren Auftritten beim Friseur angeblich faschistische Lieder musikalisch verunglimpft hätten.

Doch mit Geschick und dem aus den Montalbano-Romanen bekannten sizilianischen Witz lösen Sie nicht nur dieses Problem, sondern auch an dem Mann, der Minica geschändet hat, wird auf die dort übliche Weise Rache genommen.

„Der Bahnwärter“ ist nicht nur ein Roman einer großen Liebe, sondern auch eine große Schatzgrube von Geschichten und Eindrücken aus dem Sizilien der 1940 er Jahre.

Ich habe das Buch in einem Zuge gelesen und kann es nur empfehlen.
Angehängte Bücher und Autor*innen einblenden (2)

Was ist LovelyBooks?

Über Bücher redet man gerne, empfiehlt sie seinen Freund*innen und Bekannten oder kritisiert sie, wenn sie einem nicht gefallen haben. LovelyBooks ist der Ort im Internet, an dem all das möglich ist - die Heimat für Buchliebhaber*innen und Lesebegeisterte. Schön, dass du hier bist!

Mehr Infos

Hol dir mehr von LovelyBooks