Der dritte Band der Autobiografie des Giuliano Sansevero fällt ein bisschen aus der Reihe, da er eine räumlich und zeitlich klar abgeschlossene Episode umschreibt.
1933. In Italien kein so großes Umbruchjahr wie bei uns. Giuliano hat völlig unverhofft von einem Onkel Ländereien in Kalabrien geerbt. Als er sie besichtigt, kommt er auch zu einem ausgedehnten Hain von Olivenbäumen in dem abgelegenen Dörfchen Licudo, das nur per Meer oder über einen schmalen Maultierpfad zu erreichen ist. Hier, weit ab von allem, beschließt er, sich niederzulassen und innerhalb von sechs Monaten das titelgebende 'Haus der Häuser' zu bauen. Doch in dem verschlafenen Fischer- und Bauerndorf ticken die Uhren anders: Steine sind knapp, Arbeitskräfte und Transportesel auch. Aus den sechs Monaten werden fünf Jahre, in denen Giuliano, den sie in ihrem kalabrischen Dialekt "Don Giulì" nennen, den Fortgang der Bauarbeiten beobachtet und in den Mikrokosmos des Dorfes eintaucht.
Bald muss er erkennen, dass in dem Maße, in dem er von den Dorfbewohnern akzeptiert wird, er selbst Bestandteil dieser Dorfgesellschaft wird, die bei näherem Hinsehen natürlich von ihrer naiven Idylle verliert und die ganz normalen komplexen Konflikte und Probleme bereithält, die menschliches Zusammenleben eben so mit sich bringt.
Dazu trägt auch Giuliano selbst bei, der einige Leute unterstützt (andere nicht) und sich der Faszination eines sehr, sehr jungen Mädchens (zu Beginn ist sie elf) hingibt. Kannte Giovene eigentlich 'Lolita'? Bestimmt kannte er 'Lolita'! Zu sehr ist die gefährdete Unschuld des schönen Kindes hier symbolhaft und passend platziert.
Ebenso symbolhaft das Ende: Als endlich nach vielen Jahrzehnten kommunalpolitischen Zankes das Dorf eine richtige Zufahrtsstraße erhält, bricht das ökonomisch-soziale Gleichgewicht zusammen. Die Grundstückspreise spielen verrückt, das Dorfgefüge wird in den Grundfesten erschüttert, und als die deutschen Nazis noch eine KdF-Erholungssiedlung an den Ortsrand bauen, schwappt der Tourismus in einer brutalen Welle über das erschrockene Süditalien.
Giuliano hat es gut, der ist vergleichsweise reich und kann seiner Wege ziehen ...
Wie gesagt, dieser dritte Band ist besonders: Die persönliche Entwicklung des Helden steht hier weniger im Vordergrund als das Schaustück, die Zerstörung des Paradieses, das nie eines war. Ich war zu Beginn sehr skeptisch, ob ich mehrere hundert Seiten um den Bau eines Einfamilienhauses lesen wollte, aber diese Sorge hat sich als komplett unbegründet herausgestellt.