«Bär, ich mag dich gar nicht mehr, komm bloß niiiie wieder hier her!
Ich war im Recht bei unsrem Streit und mir tut überhaupt nichts leid!»
Bär und Maus sind beste Freunde. Aber wie das so ist, eines Tages streiten sie sich ganz fürchterlich.
Zornig gehen sie auseinander, der Bär den Berg hoch, die Maus ins Haus unten am Fluss. Es nagt in der Maus, der Groll muss raus. Und so lässt sie dem Bären ausrichten, dass sie ihn nie wieder sehen will! Doch die Nachricht, die bis zur Bärenhöhle am Berggipfel überbracht werden sollte, geht über viele Ohren und verändert sich von Tier zu Tier.
Wer als Kind Stille Post gespielt hat, weiß, was am Ende der Reihe für ein Blödsinn herauskommt. Im wirklichen Leben ist es nicht besser. Kommunikation: Sender und Empfänger, Gehör, Interpretation der Botschaft, Körpersprache … nicht immer kommt an, was gemeint ist. Das Gedächtnis trügt, es wird mit viel Fantasie etwas dazugedichtet, anderes vergessen. Aus der Maus wird ein Elefant. So geht es auch den Tieren hier: Dem Biber ist kalt, er bibbert die Nachricht weiter, der Hase ist verschnupft, haaaatschiiiet es weiter, mit den Gedanken ganz woanders. Die Muschel murmelt es weiter an die fast taube Taube und die holt den Maulwurf aus dem Schlaf, der nur halb zuhört. Und da ja alle wissen, wie gut Maus und Bär befreundet sind, glauben auch alle eine positive Nachricht verstanden zu haben.
„Bär, du weißt, ich mag dich sehr.
Bitte komm doch wieder her!
Du hattest recht bei unsrem Streit und: Mir tut es furchtbar leid!»
Wie gut für den Bären! Der ist entzückt, dass seine liebste Maus so viel Charakter besitzt, sich zu entschuldigen. Er hat sie gleich noch mehr lieb, denn der Streit tut ihm jetzt schon leid. Mit dem Honigkuchen unter dem Arm rennt er zum Fluss. Die Maus voll Scham ihrer bösen Worte kann es nicht fassen, welche Größe Bär besitzt, sich so schnell zu vertragen und sich zu entschuldigen. Sie hat ihn jetzt noch mehr lieb. Und die Moral von der Geschicht? Ein Streit kann vorkommen. Hinterher tut einem alles leid. Und wer Charakter besitzt, geht auf den anderen zu, entschuldigt sich.
Eine einfache Geschichte mit zwei Aussagen. Kommunikation ist paradox, symmetrisch oder komplementär, es gibt eine Ursache und eine Wirkung mit Inhalts- und Beziehungsaspekt. Die Axiome von Paul Watzlawick für Kinder einfach erklärt. Zweitens, Freundschaft bedeutet Streit und sich vertragen. Die Geschichte an sich ist alt – gut neu erzählt. Aber was mich besonders an diesem Bilderbuch reizt, ist die Illustration. Andrea Tuschka hat mit naturfarbenem Tonpapier und Aquarellpapier gearbeitet, in Mehrfachtechnik gemalt und geschnippelt. Die Story ist als Collage entwickelt, sehr detailreich. Bereits das Cover spricht an, das haptisch angelegt ist. Zauberhafte Landschaften entstehen, geben den Illustrationen einen dreidimensionalen Kick. Sehr fein geht die Illustratorin mit ihren Schnippseln ins Detail. Filigran gestaltete Behausungen, Blumen, Blätter, eine Eulenfamilie in ihrer Baumhöhle, Insekten, Pilze, Rohrkolben, Lampenputzer, Vögel … Es ist so viel zu entdecken! Das macht richtig Spaß! Der Bohem Press Verlag gibt eine Altersempfehlung: ab 3 Jahren; von mir a.G. der Komplexität der Geschichte und der detaillierten Gestaltung ab 4 Jahren. Abteilung Lieblingsbuch!
Andrea Tuschka wurde 1982 in Bonn geboren. Nach ihrem Studium der Germanistik und Anglistik landete sie über Umwege im Lehrerberuf und unterrichtet heute an einem Berufskolleg. Auch wenn sie viel von der Welt gesehen hat, kehrte sie immer wieder in ihre Heimatstadt zurück und lebt dort heute mit ihrem Mann und den Kindern. Stille Post ist ihr erstes Kinderbuch. Die Idee zum Buch entstand in einer der vielen schlaflosen Nächte, als ihre Kinder noch etwas jünger waren. Wenn sie nicht gerade um den Schlaf gebracht wird, kickert und schreibt sie gern oder werkelt im Garten – oder sie fährt mit ihrer Familie im Wohnwagen durch Europa.
Rebekka Stelbrink geboren 1988, hat in Marburg Erziehungs- und Bildungswissenschaft studiert und mehrere Jahre als Erzieherin gearbeitet, bevor sie ihrem Traum folgte, Kinderbücher zu illustrieren. Ihre Illustrationen gestaltet sie als analoge Papiercollagen mit Aquarell- und Acrylfarbe, Pinsel, Buntstift, Schere und Kleber und lässt so detailreiche Papierwelten entstehen – und ziemlich hohe Schnipselberge. Sie lebt mit ihrem Mann, ihren drei Kindern und allerlei Tieren in der Nähe von Marburg. Wenn Rebekka nicht an Collagen arbeitet, ist sie am liebsten in der Natur unterwegs und erlebt Abenteuer mit ihren Kindern. „Stille Post“ ist ihr erstes Bilderbuch.