Rezension
Im Fall von Andreas Brandhorsts „Seelenfänger“ biss ich mich daher auch durch, obwohl ich spätestens auf der Hälfte merkte, dass mir der Roman nicht gefällt. Die Handlung spielt in einer nicht allzu weit entfernten Zukunft, in der der Leser dem Traveller Zacharias Calm begegnet, der in der Lage ist, die Gedankenwelten anderer Menschen zu betreten. In der sogenannten Foundation des Philanthropischen Instituts ist es seine Aufgabe, mithilfe seiner Fähigkeit psychisch kranke Patienten zu behandeln, indem er Traumata aus ihren Gedanken entfernt. Als er diese Vorgehensweise bei einem Prioritätspatienten anwenden möchte und gemeinsam mit seiner Therapeutin und Kognitorin Florence dessen Kopf betritt, laufen die Dinge jedoch plötzlich aus dem Ruder. Die Grenzen zwischen Realität und Illusion verschwimmen und Zacharias und Florence müssen erkennen, dass Schein und Sein vielleicht dichter bei einander liegen, als sie bisher glaubten.
In „Seelenfänger“ vereint Andreas Brandhorst sowohl Science Fiction als auch Mystik und Philosophie. Was dabei entsteht, ist eine Handlung, die unglaublich kompliziert, abstrakt und verwirrend ist. In meinen Augen hat Brandhorst versucht, zu viele Komponenten unter einen Hut zu bringen. Dadurch gelang es ihm nicht, mich anhaltend zu fesseln; gegen Ende musste ich mich wirklich zusammen reißen, um weiterzulesen. Meine Abneigung resultierte sicher auch daher, dass ich eine andere Handlungsentwicklung erwartet hatte; ich ging davon aus, dass die Story in etwa dem Film „The Cell“ mit Jennifer Lopez in der Hauptrolle entspricht. Darüber hinaus bin ich auch mit dem Protagonisten Zacharias absolut nicht warm geworden. Ich konnte keinerlei Sympathie für ihn entwickeln, mir erschien er konstant als anmaßend, hochmütig und herablassend. Florence gefiel mir bedeutend besser, allerdings empfand ich auch die Beziehung zwischen den beiden als seltsam. Schon von Natur aus sollte niemand eine Liebschaft mit seiner/m Therapeutin/en eingehen (in Deutschland ist das übrigens auch bei Strafe verboten); dadurch, dass Zach und Florence es doch tun, ist ihre Dynamik äußerst merkwürdig. Zach wirkt jünger als er ist, weil er immer wieder von Florence ermahnt wird. Erstaunlicherweise gefiel mir das Ende des Romans dann trotz allem gut, da es offen gehalten ist und dementsprechend gut zur Handlung passt.
Normalerweise scheue ich nicht vor anspruchsvollen Büchern zurück; ich habe nichts dagegen, meine Intellekt anstrengen zu müssen und durch eine Lektüre gefordert zu werden. Doch in „Seelenfänger“ war es mir eindeutig zu viel des Guten. Ich weiß, dass es viele LeserInnen gibt, die Brandhorsts Roman mögen, aber ich gehöre leider nicht dazu. Es ist sehr schade, dass meine erste Erfahrung mit diesem Autor so negativ war; ich befürchte, dass ich nun Hemmungen haben werde, einen weiteren Roman von Andreas Brandhorst zu lesen. Trotzdem möchte ich von diesem Buch nicht abraten, denn sicher gibt es LeserInnen, die Spaß an den komplizierten Gedankenspielen haben, die in „Seelenfänger“ behandelt werden.