Andreas Fischer

 4,3 Sterne bei 11 Bewertungen

Lebenslauf

Andreas Fischer, geb. 1955, lebt und arbeitet in München, als Journalist, Fotograf und Ausbilder im Bereich der Medienberufe. Er veröffentlicht Bücher sowie Reiseberichte in Zeitungen und Magazinen. Sein spezielles Interesse gilt den Küsten des Mittelmeeres.

Quelle: Verlag / vlb

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Neue Rezensionen zu Andreas Fischer

Cover des Buches Die Königin von Troisdorf (ISBN: 9783000703690)

Rezension zu "Die Königin von Troisdorf" von Andreas Fischer

Die Auswirkungen von Krieg und Zerstörung enden nicht mit dem Einstellen der Kampfhandlungen. Unter der Geißel der Menschheit leiden auch die Nachfolgegenerationen.
Ein LovelyBooks-Nutzervor 6 Monaten

Alle Kinder haben Träume, Wünsche und Hoffnungen, wie sie sich ihre Zukunft vorstellen. Je nach den gesellschaftlichen Umständen passen sie im Laufe des Heranwachsens ihre Vorstellungen an oder ändern die Umstände, so es denn in ihrer Macht liegt. Soziologisch nennt man das auch Sozialstruktur- und Persönlichkeitsstruktur sind interdependent. Und zur Zeit der 68er sagte man etwas verkürzt in Anlehnung an Karl Marx „Menschen machen einander“. Kinder wachsen also immer in eine bestehende Gesellschaft hinein und diese Gesellschaft prägt die Persönlichkeiten der Kinder, welche wiederum auf die Gesellschaft wirken. Ein ewiger Kreislauf könnte man sagen, oder im pessimistischeren Falle: ein Teufelskreis. Andreas Fischer beschreibt in seinem autobiografischen Debut eine deutsche Familiengeschichte über drei Generationen. Weltgeschichte prägt Familiengeschichte prägt Individuen. In seinem Kriegsenkelroman geht es auch um die Frage, wie aus Lenchen, die Königin von Troisdorf werden konnte.

„Oma Lena ist kleiner als die meisten Menschen, doch sie schafft es, selbst auf Menschen herabzusehen, die drei Köpfe größer sind als sie.“

Lenchen ist die Matriarchin der Familie. Oma Lena, Jahrgang 1894, erlebte zwei Weltkriege, Kaiserreich, Weimarer Republik, Nationalsozialismus und die Bundesrepublik. Zusammen mit ihrer Tochter Ilse, Jahrgang 1923 bildet sie das von Fischer leicht zynisch genannte Duo „Hindenburg und Ludendorff“. Die Wut oder Enttäuschung über eine destruktive Familienbeziehung liest sich nicht immer so deutlich wie bei diesen Namen, ist aber bei Fischer stets präsent, ohne in plakative Anklagen zu verfallen.

Fischer geht es darum zu verstehen, wie aus zwei jungen Frauen „Kaltmamsellen“ werden konnten. Es sind aber nicht nur die Frauen der Familie, deren Persönlichkeit durch die Weltkriege negativ geprägt wurde. Der Vater ist Alkoholiker und vor den Ausrastern des Onkels haben alle Angst. „Wenn du nicht brav bist, dann zeigt Oma Onkel Bruno den Zettel und sagt, du hättest ihn geschrieben. Und dann schlägt Onkel Bruno dich tot.“ Dabei bleibt vieles dennoch ambivalent. Tante Hilde und Onkel Brunos Wohnung bleibt der sichere Hafen. Das Leben ist selten eindeutig.

Home Sweet Home

Nach Außen wird die neue deutsche Bürgerlichkeit präsentiert. Das Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit wird auch von den Fischers gelebt. Andreas Fischer wird 1961 geboren, die Familie betreibt mittlerweile ein gut gehendes Fotoatelier im rheinischen Troisdorf. Man besitzt mehrere Häuser, ein neues Auto, geht als gute Deutsche und vorbildliche Katholiken selbstverständlich sonntags in die Kirche – zumindest die Frauen und das Kind. Die Nachbarn können und sollen ruhig sehen was für gute Bürger hier wohnen. Doch wie so häufig trügt der Schein. Die Weltkriege und die Menschenbilder und Ideologien der Zeit wirken nach. Oder wie es Alfred Grosser sagte: „Nein, das vergangene Geschehen ist keineswegs abwesend in der Gegenwart, nur weil es vergangen ist.“ Die Erfahrungen prägen und wirken in die Gegenwart hinein, umso mehr je traumatischer sich das Erlebte oder die Erziehung eingebrannt haben.

„Bezwing Dein Herz damit es nicht,
Was dich bewegt, den Menschen zeige.
Die Welt will strengerfüllte Pflicht.
Die wahre Liebe kennt sie nicht;
Darum, was dein Herz bewegt,
verschweige!“ 

Aus dem Poesiealbum der Mutter (Juli 1938)

Wie oft hören wir in Deutschland die Rufe nach dem Schlussstrich unter Deutschlands Erinnerungskultur bezüglich des Zweiten Weltkriegs und der nationalsozialistischen Verbrechen. Das sei alles schon ewig her und von den Betroffenen lebe eh fast keiner mehr. In den Sozialwissenschaften weiß man schon lange, dass die Traumata von Krieg und Verbrechen an die nächsten Generationen weitergegeben werden können. Aber auch jenseits der Transgenerationenforschung kennt jede*r Geschichten aus dem Bekannten- oder Verwandtenkreis über den trinkenden, cholerischen oder gar gewalttätigen (Ur-)Großvater, der im Krieg war.

„Dich Bürschchen sollte man mit dem Kopp gegen die Wand klatschen!“

Hinter den eigenen vier Wänden spielen sich die Dramen ab, die die deutsche Nachkriegsgesellschaft millionenfach erlebte und zugleich tabuisierte. Verhaltens- und Persönlichkeitsstörungen werden als Spleen oder als unabänderliche Gegebenheit hingenommen. Andreas Fischers autobiografischer Roman kann hier als Paradigma dienen, um einige geradezu idealtypische Entwicklungen aufzuzeigen. Man kann den gesamten Roman als empirisches Beispiel für die Theorien Alfred Adlers, Erich Fromms und Arno Gruens lesen, die sich mit der menschlichen Destruktivität als Ergebnis unterdrückter, entfremdeter und traumatisierter Gefühle auseinandersetzen. Gerade Gruens „Der Wahnsinn der Normalität“ könnte Pate gestanden haben.

„Keine Härte, keine Kälte, darf größer werden als mein Stolz.“

So fragt Fischer, wie es dazu kommen konnte, dass die Oma ihren eigenen Enkel verabscheut? Dabei steht das Kindliche für das Schwache, dass die Ideologie des Nationalsozialismus ausmerzen wollte. Stark und heroisch hatte das Männliche zu sein. Wohin das führt, zeigt Fischer grandios, indem er Feldpostbriefe und andere Archivalien in den Roman einwebt, die das Werk zugleich zu einem zeitgeschichtlichen Dokument machen. Dies alles geschieht ohne Anprangerung. Es wird gezeigt und nicht beschrieben – Literatur im besten Sinne. Die Schlüsse werden nahegelegt, aber nicht aufgezwungen. Es bleibt den Leser*innen überlassen, das Gelesene zu interpretieren. Der erhobene Zeigefinger findet nicht statt.

„Dass du deine Mutter auch so in Wut bringst. Pfui. Schäm dich!“

Das Panorama des alltäglichen Gegeneinanders, der zur Normalität gewordenen Grausamkeit, umfasst mehr als 100 Jahre. Von 1914 bis 2014, vom Einsatz des Großvaters als Soldat im Ersten Weltkrieg bis zum Tod der Mutter, nimmt Fischer  Episoden aus dem Leben der Familie auf und zeigt somit eine Kontinuität, die häufig durch kurzfristigere Perspektiven verschütt geht. Dabei ist die Familie Fischer weder besonders schlimm noch Ausdruck der Banalität des Bösen. Es sind eher ganz normale Deutsche. Mit ganz normalen destruktiven Beziehungen. Kriegs- und Nachkriegsgenerationen – ein Kriegsenkelroman eben.

„Schmerz fürs Vaterland“

Andreas Fischer hat in seinem autobiografischen Debutroman ein außergewöhnliches und dennoch paradigmatisches Werk geschrieben, dass hoffentlich eine breite Leserschaft erreicht. Was hier für die deutsche Kriegs- und Nachkriegsgesellschaft beschrieben ist, kann als universell gelten. Die Auswirkungen von Krieg und Zerstörung enden nicht mit dem Einstellen der Kampfhandlungen. Unter der Geißel der Menschheit leiden auch die Nachfolgegenerationen.

Cover des Buches Die Königin von Troisdorf (ISBN: 9783000703690)
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Rezension zu "Die Königin von Troisdorf" von Andreas Fischer

Pflichtlektüre!
Michael_Blumvor 8 Monaten

Andreas Fischers Roman "Die Königin von Troisdorf" - gemeint ist in diesem Titel die 'Generalsstabs-Oma' Lena, die Mutter des Ich-Erzählers Andreas - ist eine Pflichtlektüre für alle Babyboomer, denen daran gelegen ist, sich selbst in ihrem Verhalten und Fühlen besser zu verstehen. Seit Sabine Bode und ihren Büchern zum Thema 'Kriegskinder' und 'Kriegsenkel' haben wir Babyboomer eine Ahnung davon, wie sich die Mitgift der traumatisierten Kriegsgeneration über Generationen hinweg auswirkt. Und genau darüber schreibt Andreas Fischer in beeindruckender und gleichzeitig auch bedrückender Weise. Über knapp 500 Seiten hinweg erschließt sich in dramaturgisch geschickten Zeitsprüngen die Lebensgeschichte von Andreas, Jahrgang 1961. Dabei spannt der Autor die Familiengeschichte vom Ersten Weltkrieg hin bis zum Tod der Eltern in den 2000-ern. Schwerpunkt seiner dokumentarfilmartigen Beschreibungen sind die frühen Jahre von Andreas - die prägenden Jahre also. Was ist das Typische an den Biographien der Kriegsgeneration? Wohl vor allem der Selbstverzicht, die Anstrengung, ein fast schon unmenschliches Ordnungsbewusstsein und die Unterdrückung von Emotionen. Über die traumatisierenden Kriegserlebnisse muss geschwiegen werden, die nicht geleistete Trauer äußert sich in ihrer pathologischen Form im Mantel der Depression und der Sucht (so bei Andreas Vater Reinhold). Wenn aber die 'bösen Emotionen' weggesperrt werden müssen, dann betrifft das nahezu automatisch auch die 'guten Emotionen' wie die Freude am Leben. Im Krieg sind Hoffnungen zerstört und Träume frustriert worden - so hat der Krieg auch die Überlebenden zu Opfern gemacht... und dies offensichtlich weit über die Generation der unmittelbar Betroffenen hinaus. Die fatale Botschaft des schweigenden Teils der Kriegsgeneration an ihren Nachwuchs: Du als Individuum zählst nicht und musst dir deinen Wert erst hart erarbeiten; deine Wünsche und Bedürfnisse sind nicht wichtig; sei misstrauisch gegenüber allem Fremden; nur die Arbeit zählt; man müsse ständig auf der Hut sein, weil immer etwas passieren könne; Träume sind Schäume und besitzen keinen Eigenwert; der Individualismus ist moralisch verwerflich und unbedingt der Anpassung und und der Disziplin zu opfern. Das sind die psychischen Folgekosten. Und wo die Sehnsucht nach dem 'schönen Leben' nicht existieren darf, da muss das schöne Leben der anderen abgewertet werden - was bei mir nicht leben darf, das bekämpfe ich bei anderen. Gut also, dass wir alle, vor allem auch angeregt durch derart wichtige Bücher wie ebendieses von Andreas Fischer, langsam beginnen, darüber zu reden, worüber ein Großteil der Kriegsgeneration nicht zu reden vermochte. Gut also, dass dem Schweigen endlich ein Ende bereitet wird und die psychischen Kosten der Weltkriege nicht weiter an die nachfolgenden Generationen durchgereicht werden!

Cover des Buches Die Königin von Troisdorf (ISBN: 9783000703690)
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Rezension zu "Die Königin von Troisdorf" von Andreas Fischer

Eine Kindheit in Troisdorf
Sabine_Schiffnervor einem Jahr

Das Erstlingsbuch von Andreas Fischer ist eines von diesen Büchern, die man, einmal angefangen, nicht mehr aus der Hand legen mag, bis sie ausgelesen sind. Es ist wohl seine eigene Familiengeschichte, die Andreas Fischer in seinem 472 Seiten dicken Roman verarbeitet, der den Untertitel "Wie der Endsieg ausblieb" trägt. Die Vorfahren des 1961 geborenen Autors, mit denen er auf enorm lakonische und so oft auch komische Weise - ich musste an mancher Stelle laut auflachen - und oft auch extrem böse Weise abrechnet, sind irgendwie allesamt im 2. Weltkrieg steckengeblieben. Es sind wohl typische Vertreter der Nachkriegsgesellschaft, diese seine Vorfahren, die es mit einem Fotogeschäft zu beträchtlichem Wohlstand bringen und die doch immer als kleine Leute bescheiden und in engen Verhältnissen leben. Menschen, die nie damit klar gekommen sind, dass das dritte Reich nicht mehr existent ist. Fremdenfeindlich,  körperfeindlich, spießig hoch drei. Von der Beschreibung her kommen sie wie seelische Krüppel daher, äußerlich nur teilweise unversehrt, sind sie ihrem Sohn gegenüber nicht zu Liebe und Zärtlichkeit in der Lage. Gesprochen wird wenig, getrunken wird viel, der wöchentliche Kirchgang ist bigott, Prüderie und Körperfeindlichkeit zeichnen das Miteinander aus. In einer solchen Familie wächst der der Autor auf. Erzählt wird nichtchronologisch, sprunghaft, in kleinen kurzen Abschnitten, assoziativ verbunden, berichtet er von bemerkenswerten Episoden aus seiner Kindheit und Jugend, aber auch aus der seiner Vorfahren, seiner Eltern, der Großmutter Lena, dem Onkel Bruno und seiner Frau Hilde, zu denen das Kind Andreas nach der Schule von seinen stets schaffenden und Häuslebauenden Erzeugern geschickt wird und die der Autor noch am meisten liebt, die ihn aber auch nicht vor den Schlägen seines Onkels schützen kann. Diese kurzen Abschnitte, die in 59 Kapiteln aufgeteilt sind (identisch mit den Lebensaltern des Autors), werden jeweils mit dem Jahr und dem Alter des jeweiligen Protagonisten der Abschnitte überschrieben, der meist der Autor selbst ist, was einen ganz seltsamen Effekt hat. Immer wenn man wieder liest "Ich bin XX Jahre alt..." ist man auf einmal wieder zum Autor geworden, der enorm sympathisch rüberkommt und sowieso alle Sympathien verdient  Dazwischengeschoben sind Briefe aus dem Archiv, meist Feldpostbriefe verstorbener Angehöriger, die immer noch eine Rolle im Leben seiner Eltern spielen. Andreas Fischer schafft es auf ganz großartige authentische Weise, das Denken und Sprechen des Kindes Andreas in meist einfache Worte zu fassen. Bezaubernd die Beschreibung der Stofftiere, des kleinen weißen Bären, der ins Grab gelegt wird und der Eule ohne Schnabel. Die Kindheit und Adoleszenz des sehr phantasievollen Jungen, der umgeben ist von Menschen, die ihm seine materiellen Wünsche immer erfüllen, aber ihn nicht zu lieben scheinen - seine eigenen Worte - wird anrührend beschrieben. Seine Erinnerungen sind präzise, erschreckend, manchmal komisch, ganz selten einmal schön. Das sind dann fast nur die Momente, die er mit seinem Vater teilt, einem starken Alkoholiker und Raucher. Warum all diese Menschen in dem Buch so böse, verschlossen und aggressiv wird,  bleibt  jedoch offen. Andreas Fischer, der mit großen offenen Kinderaugen schreibt, vermeidet jegliche Psychologisierung, was gut ist. Am Ende des Buches, dessen Cover mich erst einmal abgeschreckt hat,, das ich dann aber mit großer Spannung und in einem Rutsch gelesen habe, sind alle diese Menschen tot. Andreas Fischer hat ihnen ein faszinierendes literarisches Denkmal gesetzt. 

Gespräche aus der Community

gibt es heute, aber nur heute! auf https://wirlesencommunity.wordpress.com/ zu gewinnen.  Bis zum 23.12.2013 gibt es dort weiterhin täglich ein Buch, oder EBook  - manchmal auch ein wenig mehr - und am Ende werden sogar noch 3 große Buchpakete verlost.
3 BeiträgeVerlosung beendet
Letzter Beitrag von  Ein LovelyBooks-Nutzervor 10 Jahren
Hallo, das EBook "Die Andersnacht" - ein Taschenbuch gibt es leider (noch) nicht - gab es nur am 27.11.2013 zu gewinnen. Die Gewinnerin wurde bereits gezogen. Das Gewinnspiel selbst läuft noch bis zum 23.12.2013 auf wirlesencommunity.wordpress.com ... Jeden Tag gibt es ein anders Buch. Es würde mich und auch die anderen Autoren freuen, wenn jemand von hier auch dran teilnimmt. Liebe Grüße Astrid Rose PS: Hier gehts zur Kaufversion von "Die Andersnacht": http://www.amazon.de/Die-Andersnacht-Band-S%C3%BCdwind-ebook/dp/B00ESAZ2YW%3FSubscriptionId%3DAKIAJBDF5XQBATGDX4VQ%26tag%3Dnove01-21%26linkCode%3Dxm2%26camp%3D2025%26creative%3D165953%26creativeASIN%3DB00ESAZ2YW

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