Wenn man von den großen Krimiautoren des sogenannten "Golden Age" spricht, darf der Name John Dickson Carr natürlich nicht fehlen.
Als einer von nur zwei Amerikanern war er Mitglied des damaligen Londoner Detection Clubs, dem unter anderen solche Größen wie Agatha Christie, Dorothy L. Sayers und G.K. Chesterton angehörten. Letzterer war nicht nur Jugendidol sondern diente ihm auch als Vorbild für seinen eigenen Krimihelden, den schwergewichtigen und scharfsinnigen Amateurdetektiv Dr. Gideon Fell. Nicht nur Fells Aussehen - riesiger Kopf, massige Gestalt, Kneifer am schwarzen Band, Umhang, Banditenschnäuzer und Zwinkern in den Augen - sondern selbst solche Eigenschaften wie die Vorliebe für Bier und Tabak und die weltzugewandte Lebensfreude galten der damaligen Öffentlichkeit gerade als unverkennbare Merkmale des berühmten Schöpfers von Pater Brown. Sogar die ausgesprochene intellektuelle Streitsucht Dr. Fells und seine für einen literarischen Detektiv nicht selbstverständliche Freude an Detektivgeschichten weisen ihn als Abbild Chestertons aus. In "Tod im Hexenwinkel" löst er seinen ersten Fall.
Die Geschichte spielt im England der frühen 30er Jahre in einem kleinen, abgelegenen Nest namens Chatterham. Hier hält die Familie Starbeth seit Generationen einen mysteriösen Initiationsritus ab. Jeder männliche Erbe muss einmal des Nachts eine gewisse Zeit im Gouverneurszimmer des dortigen Gefängnisses verbracht haben. Der Amerikaner Tad Rampole, auf Empfehlung eines seiner Professoren nach England gereist, wird schon kurz nach seiner Ankunft bei Fell in einen haarsträubenden Kriminalfall verwickelt, denn Martin Starbeth wird wenige Stunden nach Antritt der nächtlichen Probe tot aufgefunden. Sein Genick gebrochen, wie bei so vielen seiner Vorgänger...
Tödliche Tragödien in der Vergangenheit, Aberglaube, eine alte Gefängnisruine mit Hinrichtungsgrube, Nebelschwaden über dem Moor, krude spleenige Dorfbewohner und ein trinkfester, eigenwilliger Privatgelehrter als Detektiv mit einem amerikanischen Watson" an seiner Seite. Carr schwelgt geradezu in den Klischees des britischen Rätselkrimis. Wer sich mit dieser streckenweise völlig künstlichen Kulisse und der arg konstruierten Liebesgeschichte zwischen Tad und Dorothy Starbeth nicht anfreunden kann, wird zu dem Plot wohl keinen Zugang finden. Sieht man aber darüber hinweg, wird man von einer ironischen, augenzwinkernden, gruseligen Geschichte aus dem "guten, alten England" prächtig unterhalten, bei der es bis zum Schluss spannend und die Identität des Mörders im Dunkeln bleibt.
Insgesamt ohne Zweifel ein Klassiker des "Mystery-Crime", der nicht mit Anspielungen auf Genrekollegen ("Ich sehe sie sind in Afghanistan gewesen") geizt, allerdings noch nicht die Klasse späterer Carrs erreicht.