Rezension zu "Internationale Politische Theorie" von Regina Kreide
Der Globalisierung auch theoretisch und forschend begegnen
Es ist eine oft genannte Binsenweisheit der letzten Jahre, dass die Zeiten, in denen „kleine“ Nationalstaaten eigenständig „große Änderungen“ (siehe alleine die Transaktionssteuer) umsetzten können.
Ebenso, wie die Welt „global vernetzt“ worden ist was Ökonomie, Ökologie und politische Strömungen angeht, ebenso gehört zu diesen, in den letzten Jahren und Jahrzehnten ein ebenso internationales Vorgehen, soll es gelingen, bestimmte Umstände (je nach Sichtweise „Missstände“) zu verändern.
Die Gedankengebäude haben allerdings mit der rasanten praktischen Entwicklung so gut wie kaum Schritt gehalten und damit ist jene Schnittstelle der Globalisierung benannt, für die dieses Werk Anhaltspunkte geben will.
Wobei zunächst der Begriff der „politischen Theorie“ selbst neu gefasst und geschärft werden muss, denn bis dato ist der Begriff eng an den Nationalstaat als wesentliche Herrschaftsform gebunden.
So machen sich die verschiedenen Autoren im Buch auf, den Begriff der politischen Theorie zu reflektieren, in auf den Bereich der „internationalen politischen Theorie“ zu erweitern und eine Analyse dieses Forschungsfeldes für den deutschsprachigen Raum vorzulegen.
Wie ist der Begriff herzuleiten? Wie verhält es sich mit der Staatlichkeit und Nichtstaatlichkeit in den Strukturen und Modellen globaler Ordnungsbildung? Und, vor allem als wichtige Eckpunkte für die mittelfristige Zukunft, wie kann eine Transformation vom „internationalen System“ (das im Buch bis dahin differenziert beschreiben wurde) in eine transnationale Gesellschaft einmünden? Und ist das überhaupt wünschenswert oder zu beeinflussen?
Die Veränderung dieser internationalen Grundhaltung von „relativer Maximierung relativer Nutzer“ hin zu einer „Logik der Maximierung absoluter Interessen“ (wie in der Ökonomie an allen Orten zu spüren, sieht man sich nur die „Top Ten“ Konzerne dieser Welt an) ist dabei überaus spannend zu lesen, bis hin zur tendenziellen „Drehung“ der Prioritäten von der Außenpolitik (die in früheren Zeiten die Politik maßgeblich bestimmte) nun hin zu innenpolitischen Fragen, die der Außenpolitik einen guten Teil der Aufgaben mit auf den Weg gibt.
Dass die „nationale Demokratie“ zur „entgrenzten ;Mehrebenenkultur“ hin sich entwickelt, ist nicht nur Ursache für starke innenpolitische Spannungen in so gut wie allen westlichen Ländern, sondern vor allem zunächst eine beobachtbare, faktische Entwicklung mit noch offenem Ende.
So ist es nicht verwunderlich, dass das noch junge Forschungsfeld der internationalen politischen Theorie sich zum einen fachübergreifend zeigt und zum anderen in so gut wie allen relevanten öffentlichen Themen beginnt, sich einzuarbeiten.
Weltgesellschaft, Macht, Demokratie, Öffentlichkeit, die Gerechtigkeitsfrage, die zunehmende Gewalt im transnationalen Raum, Migration, die große Frage von Krieg und Frieden, all diese Themen, die über Jahrhunderte weg im Mikrokosmos nationaler Grenzen bedacht, gelöst und entschieden wurden, verlagern sich sichtbar und in rasender Geschwindigkeit auf eine globale Ebene, in der der allseitige Versuch, weiterhin „relative Maximierung“ für den eigenen Standpunkt und Standort zu betreiben deutlich mehr hindert als fördert.
Lösungen bietet dieses Werk natürlich nicht in „runder Form“ an, wohl aber erarbeiten die Autoren die konkret anstehenden Fragen und eröffnen mit vielfachen Impulsen die Diskussion in der nahen Zukunft über konstruktive Wege in der Reibung zwischen nationaler Traditionen und Verhaftung und internationalen, faktischen Herausforderungen. Und stellt die Entwicklung von Ordnungen neben und über den einzelnen Staaten als einen der Schwerpunkte ihrer Forschung heraus.
Als wissenschaftliches Lehrbuch ist das Werk in Stil und Sprache keine einfache Lektüre und bedarf hoher Konzentration beim Lesen, um den nicht selten abstrakten Gedankengängen folgen zu können. Somit stellt das Werk ein Lehrbuch für das Studium und eine Grundlage für den weiteren wissenschaftlichen Diskurs dar,