Cover des Buches Die Mitte der Welt (ISBN: 9783551311016)
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Rezension zu Die Mitte der Welt von Andreas Steinhöfel

Ein wundervolles Jugendbuch für Leser jeden Alters

von GetReady vor 10 Jahren

Kurzmeinung: Berührend, wahrhaftig, liebevoll, komisch. Nach der Lektüre ist der Leser etwas mehr in seine eigene Mitte gerückt.

Rezension

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GetReadyvor 10 Jahren

Wieder ein Mal ein Buch, dass den Leser mit dem Klappentext in die falsche Erwartungsrichtung schickt.

Da ich Steinhöfel als Autor kenne und schätze, blieb mir glücklicherweise dieser Irrweg erspart.

Wir begleiten Erzähler Phil beim aufwachsen.

Er lebt mit seiner Zwillingsschwester und Mutter in der verfallenen Villa Visible am Rande einer Kleinstand. Diese Villa ist für die Familie die Mitte der Welt, wo jeder scheinbar unbeurteilt seinem Leben nachgehen kann. Während die in der Mehrheit kleingeistigen Bewohner des Ortes die Familie mit Hass verfolgt, werden sie in Visible passenderweise die kleinen Leute genannt.

Phils spleenige Familie zieht wiederum andere ungewöhnliche Menschen an, von denen manche als Freunde bleiben. Schön ist, dass all diese Menschen in gelassener Normalität und Akzeptanz geschildert werden.

Die 5 Monate seiner ersten Liebe mit all Ihren ( erzählerisch zugespitzten) Dramen werden für Phil Anlass punktuell zurückzublicken und gleichzeitig wichtige Entscheidungen für sein weiteres Leben zu treffen. Am Ende steht er vor einem neuen Lebensabschnitt .

Mehr möchte ich zum Inhalt gar nicht verraten.

Mir gefällt am Buch besonders, dass es Jugendliche und Kinder ernst nimmt: thematisch, erzählerisch und sprachlich.

Erzählerisch bewegt er sich in Zeitelipsen, sprachlich ist das Buch angenehmerweise nicht zu einfach.
Weder Sexualität noch Tod werden thematisch ausgespart oder verniedlicht.

Obwohl die Hauptfigur schwul ist, wird gezeigt, dass Liebe und erstes sexuelles Erwachen sich gar nicht von den Gefühlen der Heteros unterscheidet. Wohl aber die gesellschaftliche Reaktion in einer Kleinstadt darauf.

Trotzdem ist Phils Homosexualität nicht Hauptthema des Romans, sondern es handelt sich um einen brillant geschriebenen Entwicklungsroman.

Jede Figur ist kunstvoll charakterisiert und darf auch ihre eigenen Dramen erleben, fast alle mag man Schluss, egal, ob sie Schuld auf sich geladen haben, oder nicht.

So ist mir Dianne, Phils Schwester, besonders ans Herz gewachsen, gerne würde ich noch mehr mehr von Ihr erfahren.

Obwohl sich einige „Traumata“ innerhalb der Familie fortsetzen oder wiederholen und teilweise wirklich heftige Ereignisse gibt, wird auch der Humor nicht vergessen. Ich empfinde ihn eher als leise, aber sehr angemessen.

Im Buch gibt es mehrere kleine Anspielungen auf Filme, Märchen und andere Bücher. Wer so etwas mag, kann sich gut damit amüsieren.


Vor allem wird in der Geschichte keine Figur bloßgestellt, obwohl manche Geschehnisse zu offenem Zynismus einladen, bleibt Steinhöfel im Ton warmherzig und den Figuren zugewandt.

Jetzt merke ich , dass sich das vorher geschriebene nach einem sehr akademischen Buch anhört, was es überhaupt nicht ist.

Man kann in die Geschichte einsteigen und mit Phil, lachen, leiden, lieben und wenn man wieder hervorkommt, fühlt man sich gut aufgehoben und gut verstanden ( auch wenn man, wie ich, schon fast 50 Jahre alt und gänzlich anders aufgewachsen ist.

Unbedingte Leseempfehlung für Freunde von wirklich bewegenden Familiengeschichten, junge und jung gebliebenen Herzen und Liebhaber wirklich gut geschriebener Bücher.

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