Andrej Kurkow weiß mit Worten umzugehen und die hoffnungslose Stimmung Anfang des 20. Jahrhunderts sehr lebendig werden zu lassen.
Ständig wechselnde Machthaber. Fotografen empfehlen, doch bitte keine Uniform für das Foto anzuziehen, denn wer weiß, welche Uniform in ein paar Monaten getragen wird - und man will ja keine Probleme bekommen, wenn dann auf dem Foto die falsche zu sehen ist.
Samson, ein junger Mann, dessen Vater auf offener Straße ermordet wurde, büßte selbst ein Ohr ein, das ihm fortan, auf Watte gebettet in einem Kästchen, beste Lausch-Dienste leistet. Dieses märchenhafte Detail akzeptiert man problemlos.
Samson "wurschtelt sich so durch", lernt schnell und fängt bei der Miliz als Ermittler an.
So hoffnungslos und verwirrend die politische Lage auch ist, durchzogen von Mangel an allen Ecken und Enden, Korruption und Willkür - Samson gibt nicht auf, trifft auf Nadjeschda, die ihm einen zusätzlichen Halt im Leben gibt.
Beim Lesen ertappte ich mich immer wieder dabei, zu denken: "Hoffentlich passiert sowas nie wieder - auch wenn das Gewitter am Horizont schon grollt".
Andrej Kurkow
Lebenslauf
Alle Bücher von Andrej Kurkow
Picknick auf dem Eis
Samson und Nadjeschda
Graue Bienen
Pinguine frieren nicht
Ein Freund des Verblichenen
Der Milchmann in der Nacht
Die letzte Liebe des Präsidenten
Der wahrhaftige Volkskontrolleur
Neue Rezensionen zu Andrej Kurkow
Extrem wichtige Lektüre, aber ich habe was anderes erwartet
Seit mehr als 10 Jahren herrscht Krieg in der Ukraine. Dieses Buch nimmt den Leser mit vor allem in die Kultur und Kunstszene der Ukraine.
Meine Meinung
Nachdem ich den Klappentext gelesen habe, habe ich was anderes erwartet. In diesem Buch lese ich hauptsächlich extrem viele Namen wer wann und was in der Kulturszene gemacht hat. Ich lese wenig persönliches und tiefgründiges, wie es Menschen und Tieren dort geht. Da der Autor auch im Ausland lebt, werden seine Geschichten hoffentlich auch dort gelesen.
Schade, denn ich finde es unglaublich wichtig, dass wir Leser diesen Krieg nicht vergessen oder als normal empfinden. Was soll mir das sagen, dass ich der erste Leser bin, der hier eine Bewertung schreibt?
Leider kann ich nur drei Sterne für dieses Buch vergeben
Die Waffe von Schriftstellern sind Worte. Auch der ukrainische russischsprachige Schriftsteller Andrej Kurkow versucht mit seinem Kriegstagebuch "Im täglichen Krieg" auf diese Weise aufzurütteln, Aufmerksamkeit für die Lage in seinem Land zu wecken, damit die Weltöffentlichkeit sich nicht irgendwann an den Status quo gewöhnt und zur Tagesordnung übergeht. Schreiben heißt erinnern - an den russischen Angriffskrieg, an die Massaker und Kriegsverbrechen, an die Leugnung und Unterdrückung ukrainischer Identität, die Zwangsrussifizierung in den besetzten Gebieten.
Vor Jahren las ich Kurkows wunderbares Buch "Graue Bienen" über einen alten Imker im Donbas - der Krieg hatte aus der Sicht der Ukrainer bereits zu jener Zeit, im Jahr 2014, begonnen. In seinem Kriegstagebuch führt Kurkow seine Leser*innen durch Bombennächte und Luftschutzkeller, durch den Alltag und die Versuche, das Leben weiter zu führen, die Militarisierung und Mobilisierung auf beiden Seiten. Dabei gibt es kein "Right or wrong, my country" - Kurkow geht kritisch mit Zwangsmobilisierungen ins Gericht, die eher an Razzien erinnern, mit Korruption und Kriegsgewinnlern.
Kurkow fühlt sich als Ukrainer, aber seine Sprache ist Russisch. Immer wieder thematisiert er Identität, die nicht immer einfache Lage für diejenigen, die aufgrund ihrer Sprache plötzlich unter Generalverdacht geraten können, nicht ukrainisch genug sein zu können, womöglich illoyale fünfte Kolonne. Er weiß sich als privilegiert - einerseits wegen seiner Rolle als bekannter Schriftsteller, andererseits wegen seines Alters, da ihm keine Einberufung droht. Er kann sich teilweise ins Ausland zurückziehen, dort schreiben. Andere haben diese Möglichkeit nicht.
"Im täglichen Krieg" geht immer wieder auf die ukrainische Kulturszene ein, auf den Versuch, kulturelles Leben auch unter Kriegsbedingungen aufrecht zu erhalten, auf das Schicksal von Kolleginnen und Kollegen, die bei Luftangriffen und Massakern ums Leben kamen und ihren Versuch, Manuskripte zu retten für eine Zeit nach der russischen Besatzung. Kurkows Buch ist keine Kriegsreportage, sondern eine subjektive Beobachtung des Kriegsalltags weitab von der Front. Auf Pathos und allzu große Emotionen verzichtet er, doch gerade mit dieser sachlich-zurückhaltenden und doch persönlichen Darstellung überzeugt sein Buch.
Gespräche aus der Community
Andrej Kurkow weiß um die Kraft des Erzählens. In seinem „Tagebuch einer Invasion“ erzählt der ukrainische Autor jene Geschichten aus der Ukraine, die in den Tagesmeldungen keinen Platz finden. Er zeigt historische Kontinuitäten auf und macht den Kampf der Ukrainer*innen um Selbstbestimmung begreifbar.
Vielen Dank, dass ich mitlesen durfte. Meine Rezi findest du hier, auf Amazon, Hugendubel und Thalia.
Zusätzliche Informationen
Andrej Kurkow wurde am 23. April 1961 in St. Petersburg (Russland) geboren.
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