Rezension zu Die eiskalte Jahreszeit der Liebe von A.D. Miller
Rezension zu "Die eiskalte Jahreszeit der Liebe" von Andrew Miller
von sarah_elise
Kurzmeinung: Ein wunderbarer Roman, der in die (Un-)Tiefen der russischen Gesellschaft eintaucht und vielschichtig beleuchtet. Spannend wie ein Krimi.
Rezension
sarah_elisevor 11 Jahren
"Die eiskalte Jahreszeit der Liebe" rückte in meinen Lektürefokus, da das Romandebüt von A. D. Miller für den Booker Prize 2011 nominiert war. Persönlich bin ich kein Russland Fan und so lese ich auch eher selten Bücher, die dort spielen. Dennoch ließen mich diverse Buchbesprechungen nicht los und ich setzte es auf meine Wunschliste. Die vorausgesandte Faszination sollte ich nicht bereuen. Im Mittelpunkt des Romans steht Nick Platt, ein erfolgreicher junger Finanzanwalt aus London, der im Moskau der Putin-Zeit lebt und arbeitet. Das schaurig-schöne der Moskauer-Gesellschaft, das Spiel mit Schönheit, Verführung, krimineller Gewalt und tiefen Abgründen zieht Nick magisch an. Durch seine Liebschaft mit der ebenso attraktiven wie geheimnisvollen und undurchsichtigen Mascha ziehen ihn langsam jedoch unaufhaltsam in einen Strudel aus dunklen Machenschaften und zwielichtigen Kontakten. Miller schreibt seinen Roman aus der Ich-Perspektive, er stellt eine Art Offenbarung des Protagonisten gegenüber seiner zukünftigen Ehefrau dar. Im Original "Snowdrops" genannt, lernen die zukünftige Braut des Erzählers und die Leser, dass in Russland Leichen, die nach der Schneeschmelze zum Vorschein kommen, "Schneeglöckchen" genannt werden. Im Laufe seiner Offenbarung legt Nick nicht nur das Prozedere von Auftragsmorden dar und andere Vorgehensweisen der mafiösen Unterwelt, er berichtet auch von Besuchen bei Prostituierten und seiner tiefen Verfallenheit zu Mascha, von der seine zukünftige Ehefrau bis zu diesem Tag scheinbar nichts wusste. Miller schafft es, seine Charaktere klar zu zeichnen und dennoch lässt er dem Leser genug Raum für ein eigenes Bild der Figuren. Miller zeigt darüber hinaus, dass es nicht eines Thrillers oder Krimis bedarf, sondern das simple erzählerische Raffinessen genügen, um den Spannungsbogen bis zur letzten Seite nicht minder hoch zu halten. Zudem gelingt es A. D. Miller in seinem Debütroman, ein Bild von einem Russland in Zeiten des Umbruchs zu zeigen, das auf der einen Seite an seinen alten Traditionen festhält, und ebenso bestrebt ist, im Eiltempo an die westlichen Länder aufschließen zu können. So stehen im Fokus ebenso die neongrellen Clubs der Reichen und Schönen, als auch alte Mietkasernen und die romantischen und nostalgischen Datschen. In der Faszination zwischen all diesen Welten verliert der Protagonist sich selbst und ist bereit, darüber hinaus für die Liebe alles zu riskieren und auch alles zu verlieren, um wenigstens für kurze Zeit im Glück der Illusion grenzenlos zu lieben und zu leben schwelgen zu können.