Cover des Buches Ein unmögliches Leben (ISBN: 9783100278272)
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Rezension zu Ein unmögliches Leben von Andrew Sean Greer

Unmöglich schöne Belletristik!

von Maggi vor 10 Jahren

Rezension

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Maggivor 10 Jahren

Greta ist Anfang 30 und wohnt mit ihrer Tante Ruth, einer spleenigen, leicht verrückten aber überaus sympathischen und einmaligen Frau, zusammen in den 1980er Jahren in einem gemütlichen alten Haus in einem dörflich verbliebenen kleinen Viertel in Manhatten, New York.

Sie hat eine enorm enge Bindung an ihren Zwillingsbruder Felix. Doch Felix ist krank, tödlich krank. Er hat das damals noch unbekanntere und vor allem kaum behandelbare Aids und stirbt schon zu Beginn des Buches in den Armen von Greta und seinem Lebensgefährten Alan. Greta ist völlig am Ende, steht neben sich und versinkt so sehr in ihrer Depression, dass nur eine unkonventionelle Behandlungsmethode bleibt, um sie aus dem stetigen Strudel nach unten zu reißen. Sogenannte Elektrokonvulsion , die insgesamt 25 mal angewendet werden sollen. Doch die Behandlung hat eine unvorhergesehene Nebenwirkung:

Greta reist auf einmal durch die Zeit und landet in parallelen Leben, einmal 1918 und einmal 1941, in denen zum Beispiel ihre Beziehung nicht gescheitert ist, sie verheiratet oder sogar Mutter ist. Nach jeder erneuten Behandlung (die in allen drei Zeiten stattfinden, was auch sehr glaubhaft und stimmig erklärt wird) reist sie zyklisch immer in die nächste Zeit, während die beiden Gretas aus diesen Zeiten ebenfalls in der Zeit springen. Das mag jetzt verwirrend klingen, ist es aber ganz und gar nicht, sondern wird sehr gut erklärt und auch am Beginn des Buches mit einer kleinen Grafik anschaulich gemacht.

In jedem Leben trifft sie alle ihre ihr eng verbundenen Leute wieder, ihr Expartner Nathan, der sie in den 1980ern verlassen hatte, ist in den beiden anderen Leben ihr Ehemann und Felix ist wieder am Leben und sie ist darüber unfassbar glücklich. Mir gefällt der Gedanke dieser Art schicksalhafter Verbundenheit aller Protagonisten! Doch schnell zeigen sich auch in den beiden anderen Leben Risse. Die Umstände sind so anders, im frühesten Leben lebt Greta in den letzten Tagen des 1. Weltkrieges, im zweiten Leben ist bereits der Vorabend des 2. Weltkrieges, was aber außer Greta natürlich niemand weiß.

Die Erwartungen an eine Frau, die gesellschaftlichen Gegebenheiten, der Alltag... einfach alles ist in kleinen Nuancen in jedem Leben anders und das hat auch Auswirkungen auf die Menschen, die in dieser Zeit leben. Jede Zeit hat ihre Freiheiten und Unfreiheiten, ihre schönen und schwachen Momente und Greta beginnt langsam zu begreifen, dass sie auf kurz oder lang eine wichtige Entscheidung wird treffen müssen.

Ich konnte mit Greta jederzeit sehr gut mitfühlen, habe mich regelrecht in die Geschichte hineingezogen gefühlt.

Alle Charaktere sind einfach so liebenswürdig, so speziell, so originell, ein bisschen verrückt - Vor allem Tante Ruth natürlich - und damit so lebensecht. Wirklich perfekt ausgearbeitete Romanfiguren! All das hat das Lesen zu solche einem Genuss gemacht!
Ich habe gehofft dass alles gut ausgeht und gebangt, ob auch „alle Gretas“ glücklich werden am Ende und ob nicht doch noch etwas Unvorhergesehenes ihr potentielles Glück verhindert...

Das Buch gefiel mir wirklich durchweg sehr, sehr gut!

Greta war mir als Protagonistin sympathisch und das Buch erzeugte von Anfang an eine wirklich äußerst interessante, intensive Stimmung!

Am liebsten wäre auch ich sofort losgereist, denn der Gedanke, wie eines oder mehrere parallele Leben aussehen könnten, reizte mich sehr und die Sprünge wurden im Buch so lebendig und flüssig beschrieben, dass ich richtig mitfühlen konnte und mich frage, wie es wohl aussehen würde, wenn ich die Chance hätte, solch weitere Leben zu besuchen.

Das Felix in den anderen Leben noch am Leben war hat mich so sehr berührt! Doch dass er in den anderen Leben nicht er selbst sein kann, als Schwuler und Partner von Alan ist herzzerreißend, wenn auch verständlich. Damals war die gesellschaftliche Akzeptanz nicht vorhanden. Aber ich fand es traurig zu sehen, wie sehr dieses Versteckspiel Felix´Charakter verändert und das Verhältnis zu seiner Schwester Greta.

Auch Nathan, der nicht gegangen ist, sondern sie geheiratet hat, ist ein interessanter Charakter. Es ist geschickt umgesetzt, wie die verschiedenen Charaktere immer mehr vorkommen und so nach und nach ein immer lebendigeres Bild entsteht.

Die emotionalen Verstrickungen und Zerissenheit Gretas insgesamt sind sehr nachfühlbar und verständlich beschrieben, so dass ich mich ihr und ihren drei Leben im Laufe der Lektüre sehr verbunden fühlte!

Das Buch ist ein wirklich großartiges Buch, das man am liebsten an einem Stück zu Ende lesen würde und das ich bestimmt noch mal lesen werde. Allein die wunderschöne, dichte, atmosphärische Sprache ist es sooo wert!!! Ein Beispiel gefällig? Bitteschön:

„Es ist fast unmöglich, wahre Trauer zu fassen; sie ist ein Tiefseegeschöpf, das nicht ans Licht geholt werden kann.“ (S. 25)


Ich bin echt restlos begeistert! Ein großartiges, stimmungsvolles und sehr schönes Buch! Die Idee ist ja nun nicht gerade innovativ oder neu, aber die Umsetzung war einfach genial! Viele philosophische, lebensentscheidende Gedanken werden mit dem Leser geteilt und das alles in einem sehr gekonnten Schreibstil, der eine äußerst angenehme Lesestimmung erzeugt. Daher gibt es volle Punktzahl von mir!



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