Eine liebe Freundin kam letztens zu mir und überreichte mir mit den Worten: „Du magst doch Island“ ein knallbuntgelbes Büchlein, welches mit einem pinkfarbenem Sparschwein aufwartete, das aussieht, als hätte es was aufs Auge bekommen. „Hm, Ja. Ich mag Island.“ Und ja, ich mag Bücher und am liebsten die Anderen, die Ausgefallenen, die auf den Grabbeltischen herumliegen und nie eine Heimat finden. So wie dieses, das jetzt in meinem Regal und in meinem Herzen eine Heimat gefunden hat. Was natürlich auch ein wenig an der schenkenden Person liegt.
Wäre ich schon mal in Island gewesen, wäre mir das pinke Schwein auf gelbem Hintergrund bestimmt vertraut gewesen. So ging ich etwas kritisch an den Inhalt heran. ‚2 in 1‘ prangte außen an dem Buch. Aha, die Gedichte (auch noch Supermarktgedichte) sind auf der einen Seite Isländisch auf der anderen in Deutsch. Trotz meiner schon genannten, zugegeben etwas verwaschenen und mystifizierten Liebe zu Island, kann ich die Sprache nicht, finde aber das kleine Land irgendwie sympathisch und die Produkte die es hervorbringt einfach – toll. Und was verbindet den zivilisierten Menschen nicht untereinander am ehesten, als den Supermarkt. Da war jeder schon mal. Und da geht es ab, sag ich Euch. Jedenfalls wenn man diesem kleinen lyrischen Wegweiser folgt. Wie kommt jemand dazu Supermarktgedichte zu schreiben. Nun, der Autor streifte eines Tages hungrig durch den genannten Bonus-Supermarkt und vermisste dort trotz aller Botschaften und Buchstaben, die Geschichten. Lyrik gibt es überall in Island über fast alles, nur nicht über den Supermarkt. Und genau diese Lücke ging der junge Dichter zu schließen. Beim Einkaufen fiel ihm noch auf, dass der Markt wie Dantes Göttliche Komödie aufgeteilt war. Anfangs, in der Obstabteilung ist das Paradies, weiter hinten bei den Fleischwaren lauert die Hölle und bei den Putzmitteln ist das Fegefeuer. Gedichte mussten her, um dies zu beschreiben! Gedichte, klar und deutlich für jedermann, die den Kapitalrealismus beschreiben. Supermarktgedichte eben.
Und los geht es im Paradies, in der Obstabteilung, wo wir bei Adam und Eva anfangen:
Pink Lady ®
In der Obstabteilung
Kommt Eva in Versuchung
in einen saftigen Apfel zu beißen
heute im Sonderangebot
nichts ahnend
vom allsehenden Auge
der Überwachungskamera
Andri Snær Magnason hat eine sinnliche, sehr lyrische Art, das alltägliche Treiben zu beobachten. Er verbindet geschickt unsere Zivilisationsumgebungen mit den mythischen althergebrachten Zeichen und erschafft dadurch etwas, das dem Leser bekannt vorkommt. Etwas altes, warmes, aber auch hintergründig, aufregendes, hinter dem aber immer noch das Unbekanntes lauert.
Coca-Cola
Er streifte das Mädchen
das die Cola in die Regale räumte
sich ihrer Schönheit bewusst
er sah wie sich ihr Haar verfing
und er spürte ihre junge Brust
Can’beat the feeling
Nie wird es einfach nur profan, die Lyrik atmet eine unbändige Lust und Sicht auf Emotionen und die Themen des Supermarktes werden lyrisch gebündelt. Die ganze Welt, alles kann hier passieren:
Paar 1
Bananen, wir brauchen Bananen, harte und feste
Bananen, flüsterte sie und betastete das Bündel
und er stöhnte; auch Melonen, wir brauchen
Melonen und Erdbeeren und haarige Kiwis, sagte
sie und streichelte die pelzigen Kugeln, wir können
die Erdbeeren anbeißen und den Saft auflecken, sagte
er, ich will weißen Joghurt über die Erdbeeren gießen,
sagte sie mit zitternder Stimme, oder Sahne, dicke
Sahne auf die Melonen spritzen und auf die Bananen
und die Erdbeeren.
Das ist nicht nur billige 9 1/2 Wochen Erotik, das knistert förmlich in den Gängen des Obst- und Gemüsebereiches. So führt uns Magnason durch die höllische Fleischabteilung und das Putzfegefeuer. Und so manches Mal klingt doch ein wenig Kapitalismuskritik in den Zeilen:
Schlemmerfilet
Er hat einen Bart
der Mann, der gerade
ein neues Fischgericht
vorstellt
und 1000 Portionen aus nur
5 Fischen serviert
Doch im Supermarkt geht es natürlich pragmatisch zu, man will schließlich etwas für sein Geld haben und da schaut man doch (gerade im überteuerten Island) sehr auf die Krone:
Das Tier
Das Tier
war sicher bösartig
als es noch Hörner hatte
Schwanz und Klauen
und es wäre höllisch gut
es blutig rot
aufs Grillfeuer zu legen
zumal das Kilo nur 666 Kronen kostet
Überrascht haben mich die Gedichte im isländischen Original. Der Klang der Worte hat einen gewissen Erkennungswert zu den romanischen Sprachen. Der Klang von Worten wie Ulfur (Wolf) oder Tengdamommu (Schwiegermutter), bei glottir (grinsen) konnte ich mir ein diesbezügliches nicht verkneifen. So geht leider das viel zu kurze Büchlein (was aber in der Neuauflage 33% mehr Inhalt hat, deswegen auch der Titel) zur Neige, wie auch der Supermarktaufenthalt an der Kasse abgeschlossen wird. Noch eben schnell in den Auslagen, Heften, Zeitungen blättern:
The naked Chef
Die Kochbücher sollten im selben
Regal stehen wie die Pornohefte
Die Leute blättern und sabbern
machen aber nie was davon in echt
Aber jetzt bezahlen und raus:
Und sieh! Wenn Peter oder die engelgleiche Gudrun
sämtliche Verlockungen am Scanner vorbeigezogen
und auf der goldenen Karte gespeichert hat
öffnet sich das gelbe Tor und man läuft mit vollen
Tüten hinaus ins Ungewisse und wirft einen Blick
zurück auf das selige Antlitz und das entrückte
Lächeln, das sagt: Hab einen schönen Tag
Oder wie man in Island sagt: Eigðu goðan dag