Cover des Buches Hinter der Blechwand (ISBN: 9783518422540)
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Rezension zu Hinter der Blechwand von Andrzej Stasiuk

Rezension zu "Hinter der Blechwand" von Andrzej Stasiuk

von Beagle vor 12 Jahren

Rezension

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Beaglevor 12 Jahren
Andrzej Stasiuks Roman "Hinter der Blechwand" ist nicht nur eine Geschichte über das Fahren, vor allem ist es ein Buch, das die Verhältnisse in Osteuropa in unserer heutigen Zeit beschreibt. Die resignierten Menschen, die nach dem Abzug der Russen zuerst voller Vorfreude auf den Kapitalismus waren, dann aber bemerkten, dass dieser sich in ihren Ländern und vor allem auf dem Land nicht so recht einstellen mochte. Die jungen Leute gingen in die Stadt oder ins Ausland und die Kleinstädte und Dörfer sind oftmals vom Aussterben bedroht. Darin Zigeuner, die mit allem Geschäfte machen, was sie finden und streunende Hunde. Viele Einwohner sind arbeitslos oder schlagen sich mit geringen Einkünften durchs Leben, seit die staatlichen Fabriken geschlossen haben. Es gibt kaum Perspektiven - sie trinken, leben in den Tag hinein und warten auf die nächste Revolution, so schreibt Stasiuk. Sein Protagonist und Ich-Erzähler Pawel hat sich in einer kleinen Stadt niedergelassen. Er wohnt in einem kleinen Haus direkt neben einer Tankstelle, wo er die Leute beobachtet. Die jungen Männer mit den aufgemotzten Autos, die mangels anderer Möglichkeiten immer wieder durch die Stadt fahren, aufgetakelte Mädchen sehen ihnen gelangweilt zu. Zusammen mit seinem Partner Wladek fährt er mit einem klapprigen Fiat Ducato die Städte der Umgebung ab, um dort gebrauchte Kleidung aus West-Europa zu verkaufen. Ihr Weg führt sie immer weiter von zuhause weg, bis in die Slowakei, denn keiner schätzt mehr die gebrauchte, aber qualitativ hochwertige Kleidung aus dem Westen. Seit die Chinesen billige Ware auf dem Markt brachten, laufen alle in diesen quietschbunten Sachen herum. Nur noch die Alten wissen Qualität zu schätzen, aber auch diese sterben langsam aus. Wladek ist schon immer im Handel tätig, schon vor der Grenzöffnung tätigte er seine (größtenteils illegalen) Geschäfte. Und immer war er auf Achse. Von diesen Geschichten erzählt er bei den gemeinsamen Reisen Pawel, wie er es immer wieder geschafft hat. Und überall scheint er jemanden zu kennen, zu allem weiß er einen Kommentar. Pawel hingegen ist eher ein in sich gekehrter Mann, oftmals bezeichnet er sich lediglich als Fahrer, denn das Verkaufen beherrscht Pawel viel besser. So hört er sich diese Geschichten an und macht sich seine Gedanken. Alles läuft seinen geregelten Gang, bis Pawel eines Tages die hübsche Kirmeskassiererin Eva wiedertrifft. Mit diesem Roman hat Stasiuk zwei vollkommen unterschiedliche Charaktäre geschaffen, die aber ohne den anderen nicht existieren können, wie es scheint. Er gibt einen Eindruck der osteuropäischen Länder, nicht nur von Polen, auch die Slowakei und Ungarn beschreibt er detailiert. Man merkt genau, dass der Autor selbst in einer ländlichen Gegend lebt, die Menschen dort kennt, ihre Eigenheiten sind ihm geläufig. Ein Buch über Freundschaft, das Zerbrechen der Gleichen und über die unendlichen Weiten. Ein moderner Western, der im Osten Europas beheimatet ist. Still und doch wortgewandt, nicht aufgeregt und doch spannend.
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