Cover des Buches Amerikanischer Whiskey. Erzählungen. Aus dem Polnischen von Klaus Staemmler. (Mit Vorwort des Autors zur deutschen Ausgabe). (ISBN: B00BPGRC2M)
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Rezension zu Amerikanischer Whiskey. Erzählungen. Aus dem Polnischen von Klaus Staemmler. (Mit Vorwort des Autors zur deutschen Ausgabe). von Andrzej Szczypiorski

Geschichten von intensiver Ausstrahlungskraft und tiefer Weisheit

von Beust vor 5 Jahren

Kurzmeinung: Meisterlich formulierte, versöhnliche, menschliche Geschichten eines humorvollen Weisen.

Rezension

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Beustvor 5 Jahren

Die 1990er Jahre in Berlin waren eine tolle Zeit – vieles bewegte sich, war im Umbruch, nachdem der Eiserne Vorhang gefallen war, und Berlin wurde zu einer Drehscheibe zwischen West und Ost, ein Ort der Begegnungen zwischen Deutschen und den Menschen aus dem Osten, nicht nur aus der ehemaligen DDR, sondern auch aus Polen, Ungarn, Tschechien und den russischen Staaten. In diesen Jahren berührten sich auf einmal die vergangenen Jahrzehnte, die durch die Mauer und den Kalten Krieg getrennt waren. Alte Wunden brachen auf, vor allem jene, die die Deutschen während den Völkern im Osten während der Nazidiktatur und dem Zweiten Weltkrieg zugefügt haben.

Es war ein großes Glück für mich, in dieser Zeit mit erwachtem Bewusstsein an diesem Ort der Begegnung sein und so viele interessante und bereichernde Menschen treffen zu können. Eine dieser Begegnungen fand am Gendarmenmarkt statt, als Andrzej Szczypiorski und Györgi Konrad aus ihren Werken lasen, ihre Erinnerungen erzählten und mit jedem Satz die Weisheit der Erfahrenen in das Gespräch mit uns jungen Leuten trugen. Seitdem habe ich das Wissen um diesen klugen, ja weisen polnischen Autoren mit mir herumgetragen, tief beeindruckt von der persönlichen Begegnung und dem offenen und uneitlen Dialog. Und dennoch hat es über zwanzig Jahre gedauert, bis ich endlich mehr als einen Zeitungsbeitrag Szczypiorskis gelesen habe.

„Amerikanischer Whiskey“ versammelt zwölf Geschichten aus der Erfahrungswelt Andzrej Szczypiorskis, der 1928 in Warschau geboren wurde und die Repressionen durch die deutschen Besetzer und später durch die kommunistischen Ideologen erlebte und erlitt. Mit einer knappen und äußerst präzisen Sprache charakterisiert er Schauplätze, Personen und Situationen mit einer Exaktheit, die kein Wort vermissen lässt und keine Auslassung mehr vertrüge. Mit großer Sympathie selbst für die Täter, stets auf der Suche nach den Grautönen, aus denen die Menschen viel mehr bestehen als aus den Farbtönen Schwarz und Weiß, erzählt Szczypiorski etwa in „Der Weg zum Himmel“ oder „Der Engel der Vorsehung“ aus der Zeit der deutschen Okkupation, der Judenverfolgung und der polnischen Herzensverfassung zu jener Zeit.

Gerade im Angesicht der heutigen Gesetzgebung in Polen, die nachträglich juristisch jede Beteiligung Polens an der Shoa und den deutschen Verbrechen ausradieren möchte, sind die Kurzgeschichten aus der Kriegszeit wichtige Beiträge eines Zeitgenossen, der besser weiß, dass die Verantwortung in der Geschichte ebenfalls tiefgrau gefärbt ist und keine Unbeteiligten kennt. Gegen das Vergessen ist auch „Der reservierte Tisch“ geschrieben und offenbart gleichzeitig Szczypiorskis Kenntnis Deutschlands wie seine Sympathie für dieses Land. Die namensgebende Geschichte des Bandes weist in die Nachkriegszeit und die Lasten der anderen totalitären Ideologie, die sich auf Polen legte, nachdem der Terror der Deutschen verschwunden war.

Geschichten von intensiver Ausstrahlungskraft und tiefer Weisheit – zeitlos und absolut empfehlenswert!

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