Cover des Buches Granny, ein Mord und ich (ISBN: 9783839217276)
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Rezension zu Granny, ein Mord und ich von Angelika Godau

Als Roman hätte Granny auf jeden Fall 5 Sterne verdient

von Antek vor 9 Jahren

Rezension

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Antekvor 9 Jahren

Ich bin eigentlich überzeugte Krimileserin. Daher ist es für mich wirklich Glück gewesen, dass dieses Buch unter Krimi läuft. Auch wenn ich meiner Meinung nach hier keinen wirklichen Krimi bekommen habe, hatte ich super gute Unterhaltung und ich hätte wirklich etwas verpasst.

Sonntagmorgens 6 Uhr und die Kinder verbringen das Wochenende beim Papa, wie sehr hat sich Sabrina auf das Ausschlafen gefreut. Da wird allerdings nichts draus, denn im Sessel neben ihrem Bett sitzt eine kleine Frau mit zugeknöpftem schwarzen Kleid, Schürstiefeln und Hut und echauffiert sich darüber, wie man um die Uhrzeit noch im Bett liegen kann, wenn es schon bald in die Kirche geht. Sabrina glaubt ihren Augen nicht zu trauen, wer sitzt da im Sessel und stinkt vor sich hin - ein Einbrecher? Nein so sieht sie gar nicht aus. Nachdem die alte Dame ihr ausführlich erklärt hat, welches Verhalten und welche Ausdrucksweise sich ja nun wirklich nicht gehören, kommt sie zu ihrem eigentlichen Anliegen. Luise ist Sabrinas Ur-Ur Großmutter und möchte ihre Hilfe bei der Aufklärung des Mordes an ihrem geliebten Otto. Der war Kabinettsminister beim Fürsten von Lippe und ist vor 120 Jahren überraschend gestorben, Luise glaubt an einen Mord und um diesen aufzuklären hat sie sie sich auf Zeitreise begeben.

Eigentlich bin ich Krimileserin, hier kann man aus der Beschreibung entnehmen, dass ein Mord aufgeklärt werden soll, das wird er auch. Er ist der Grund dafür, warum sich Granny überhaupt auf Zeitreise begibt, aber so richtig zum Thema wird er dann erst auf den letzten Seiten. Wer also einen üblichen Krimi sucht, der mit Ermittlungen von Anfang bis Ende für Spannung sorgen muss, könnte enttäuscht sein. Wer sich aber durchaus auch auf etwas anderes einlassen kann, wird seine helle Freude haben.

Die Charaktere werden wirklich super gezeichnet. Zum einen Luise, die Granny hier, ich hatte sie stets bildlich vor mir und sie ist mir richtig ans Herz gewachsen, wie eine eigene Oma, die man einfach gern haben muss. Ich musste stets über ihre Kommentare zu den heutigen Verhältnissen schmunzeln. Schlafen ohne Nachgewand, Ausdrücke, die sich nicht gehören, Deospray, moderne Erziehung und jede Menge mehr, alles völlig fremd für sie. Wobei, ehrlich wenn sie aus ihrer Zeit berichtet, wünschte ich mir beim einen oder anderen, dass davon heute noch etwas übrig wäre. Die 34-jährige Sabrina ist mir auch immer sympathischer geworden. Sie ist alleinerziehende Mutter, eher antiautoritär und hat einen etwas schnodderigen Umgangston. Auch wenn ich mich selbst nie so ausdrücken würde, fand ich das hier gelungen, da dadurch der dargestellte Kulturschock, den zweifelsohne beide durchleben, noch deutlicher und vor allem auch bestimmt eine Spur humorvoller und spritziger wird. Sabrinas Mama darf auch noch bei den Ermittlungen helfen und gemeinsam wachsen die drei zum super Team zusammen. Otto, der nicht live mitspielt, aber von dem man viel erfährt, war für mich nicht so leicht zu durchschauen. Ich war mir ebenfalls wie die gutmütige Hermine, die Luise wie eine Mutter angenommen hat, nie so wirklich sicher, ob seine Liebe echt ist. Sabrinas Kinder spielen Nebenrollen und demonstrieren das Ergebnis moderner Erziehung, das in Grannys Augen nichts taugt. Schmunzeln konnte ich auch über den Terror Kater Amun.

Es handelt sich um eine tragische Liebesgeschichte, die einem richtig ans Herz gehen muss, Liebe über Standesgrenzen hinweg war noch nie einfach und hier schon gar nicht. Durch Grannys Erzählungen bekommt man einen wirklich tollen Einblick in die Lebensverhältnisse im ausgehenden 19. Jahrhundert. Wie haben die Leute damals gelebt, welche Moralvorstellungen herrschten, welche Bedeutung hatten Standesunterschiede? Ich habe ihre Erzählungen und auch Ottos Tagebuch, das die ganze Geschichte aus seiner Position erzählt, wirklich mit großer Spannung gelesen, alles andere als schnödes Geschichtswissen, sondern tolle Details in einer schönen Geschichte verpackt. Je mehr man erfährt, desto besser kann man sich auch in die Köpfe und die Zeit hineinversetzen und versteht zunehmend, warum sie so handeln mussten. Das Ganze ist verpackt in dem witzigen Szenario einer Zeitreise. Stellenweise konnte ich wirklich laut lachen über die Dialoge, die sich durch den Kulturschock ergeben. Schön fand ich auch die Entwicklung des Verhältnisses der drei Damen. Granny, Mama und Sabrina wachsen immer mehr zusammen und am Ende war wohl nicht nur ich fast traurig, dass Granny sich wieder verabschiedet um ihren Tagesgeschäften in der Vergangenheit nachzugehen.

Mich hat dieser Roman super gut unterhalten, auch wenn es vielleicht einmal kein Krimi war und ich freue mich schon auf die angekündigte Fortsetzung.

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