Cover des Buches Alle Farben des Schnees (ISBN: 9783630873404)
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Rezension zu Alle Farben des Schnees von Angelika Overath

Rezension zu "Alle Farben des Schnees" von Angelika Overath

von Gospelsinger vor 13 Jahren

Rezension

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Gospelsingervor 13 Jahren
Schnee, Schnee, wohin man sieht. In der Großstadt ist das eher lästig. Busse und Bahnen fahren nicht, die Wege sind nicht geräumt, und nach kurzer Zeit sieht der Schnee schmuddelig aus. Farben des Schnees? Davon ist nicht viel zu sehen. Anders in Sent im Engadin. Dort gibt es sechs Monate Schnee im Jahr. Und dorthin ist die Autorin Angelika Overath von Tübingen aus mit Kind und Kegel gezogen, nachdem die Familie schon jahrelang ihre Urlaube in Sent verbracht hat. Ein ganz schön großer Schritt. Ein Urlaubsort ist immer schön, aber bleibt das so, wenn man dort wohnt und der Alltag einkehrt? Ein Alltag, der überdies so ganz anders ist, als der gewohnte, der neue Fähigkeiten abverlangt. Wie gelingt es, sich in die enge Dorfgemeinschaft einzufügen? Dazu kommt noch das Sprachproblem. In Sent wird Rätoromanisch gesprochen, eine Sprache, die vom Aussterben bedroht ist. Die Autorin tut sich auch ziemlich schwer, die Sprache zu lernen. Für Matthias, den jüngsten Sohn, ist das kein Problem. Er hat gleich sein zweites Schuljahr in Sent begonnen, wo der gesamte Unterricht der Klassen eins bis sechs in Rätoromanisch stattfindet. Erst ab der vierten Klasse wird Deutsch als Fremdsprache unterrichtet. Gleich nach dem Umzug finanzierte die Gemeinde einen Rätoromanisch-Kurs für Matthias. Und er kannte seine zukünftigen Klassenkameraden vom Fußballspielen. Aber ist das gut für seine Zukunft? Sich überwiegend in einer Sprache auszudrücken, die kaum noch jemand spricht, in einer kleinen Schule unterrichtet zu werden? Ist das nicht intellektuell zu anspruchslos, wie Freunde der Familie befürchten? Denn im akademisch geprägten Tübingen sind die Anforderungen an die Kinder groß. „Fraglos galt, daß ein Kind vor allem optimal gefördert werden müsse. Es sollte etwas werden (Abitur war das Mindeste).“ Ganz anders in der Dorfschule im Engadin: „Wir sind keine besonders ehrgeizigen Eltern. Aber irgendein heimlicher Druck fiel von Matthias ab. (…) Matthias ist (…) immer mit der überschaubaren Gruppe seiner Klassenkameraden zusammen. Und diese Gruppe, der Jahrgang, wird im Dorf als kleiner Sozialverband wahrgenommen und angesprochen, was wiederum ihren inneren Zusammenhalt verstärkt. Unter diesen Bedingungen kann Schulzeit leichter Gemeinschaft sein als zielgerichtete Karrierezeit.“ Da stehen mir als Mutter, deren Kinder unter der Situation an Berliner Schulen leiden müssen, die Tränen in den Augen… Immer wieder wird im Buch deutlich, dass in Sent andere Dinge wichtig sind, dass das Leben ruhiger verläuft, tiefer. Das setzt sich auch in der poetischen Sprache des Buches fort. Die Ruhe des Engadins überträgt sich beim Lesen. Nebenbei erfährt man auch noch interessante Informationen über Sprache, Land und Leute. Neben Schneetage ist dies schon das zweite Buch über Schnee, das in meinem Lieblingsbuch-Regal landet. Dabei bin ich doch ein Sommerfan!
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